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Hauptschule in Siegburg ist Deutschlands erste "Gut Drauf"-Schule

"Gut Drauf"-Projekt

"Lecker, endlich mal wieder meine Lieblingswurst: Salami". Der 12-jährigen Alina scheint`s zu schmecken. Genauso wie den anderen Kindern der 6a von der Gemeinschaftshauptschule Neuenhof in Siegburg. "Gib mir doch bitte mal eine Tomate rüber", fordert Christina ihre Sitznachbarin auf. "Ja, nur keine Hektik", antwortet Kathrin und stellt den Teller mit den Tomaten und Gurkenscheiben seelenruhig vor Christinas Platz. Hektisch soll es hier nicht zugehen, beim "Gut Drauf-Frühstück" in einem Nebenraum des Schulfoyers.

Damit die Kinder vom Spielen anderer Schüler nicht abgelenkt werden, sind die Jalousien runtergezogen. Das Licht kann ausbleiben, denn die 16 brennenden Kerzen auf dem Tisch spenden genug Helligkeit. Dadurch wirkt es richtig gemütlich: die mit Osterhasen verzierten Servietten und die gelben frischen Blumen inmitten des Tisches tun ihr Übriges. "Das Auge isst ja mit", erklärt Elke Kosché. Die Augen der Ökotrophologin leuchten, wenn sie sich die fröhlich mampfenden Münder anschaut. "Die Kinder genießen das Frühstück und die Atmosphäre sehr. Manche kriegen ja morgens nie etwas zu essen, die erleben ein so gemütliches Zusammensein zuhause gar nicht." Und wenn doch noch vor der Schule gefrühstückt wird, dann oft so wie beim 12-jährigen Philipp: "Wenn überhaupt esse ich morgens ein paar Cornflakes. Die muss ich mir aber meistens selbst machen, weil meine Mutter schnell zur Arbeit muss." Und dann sagt er noch: "Zusammen essen wir eigentlich ganz selten." Umso mehr freut sich Elke Kosché, dass Kinder wie Philipp wenigstens 2-Mal im Monat am "Gut Drauf-Frühstück" in der Schule teilnehmen können. Einige Jugendliche aus der 10. Klasse decken dafür jeweils den Tisch und schmieren die Brötchen. Das Frühstück selbst ist für die 5. und 6. Klassen gedacht. "In dem Alter kommen wir oft noch an die Schüler ran. Unser Ziel ist es ja, ihnen zu vermitteln, wie wichtig gesunde Ernährung ist. Bei den 12-jährigen haben wir anders als bei Älteren oft noch eine Chance", sagt Schulleiter Thomas Scholz. Und ergänzt: "Gut, Vollkornbrot wäre natürlich noch besser, aber das isst hier wirklich kaum einer."

Bestandteil des Unterrichts

Reguläre Schulstunden fallen für das "Gut Drauf-Frühstück" nicht aus, es ist Bestandteil des Unterrichts. Ökotrophologin Elke Kosché arbeitet 20 Stunden pro Woche an der Hauptschule. Im Biologie-Unterricht geht sie mit den Kindern auch das Thema "Ernährung" durch- das gemeinsame Frühstück ist dann die Praxis. "Es spornt unglaublich an, wenn man als Ergebnis seiner Arbeit sieht, dass die Kinder ihr Essverhalten wirklich ändern. Wenn sie dann doch mal Pausenbrot statt Schoko-Riegel dabei haben", findet Kosché. Dass sie und das gesamte Team um Schulleiter Thomas Scholz mit ihrem Unterrichtsprogramm richtig liegen, haben sie jetzt auch "schwarz auf weiß". Die Gemeinschaftshauptschule Neuenhof ist als erste "Gut Drauf"-Schule in Deutschland ausgezeichnet worden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das Projekt 1993 entwickelt. Neben Schulen spricht es auch Jugendvereinigungen und Sportvereine an. Ziel ist es, dass Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie die Stressbewältigung von Jugendlichen nachhaltig zu verbessern und so langfristig ihre Gesundheit zu fördern. Das ist auch dringend nötig: Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind rund elf Prozent aller Mädchen und Jungen zwischen 6 und 17 Jahren übergewichtig. Wer sich zudem noch zu wenig bewegt, kann ernsthaft krank werden. Seit vier Jahren ist der Rhein-Sieg-Kreis Modellregion für das "Gut Drauf"-Projekt. Verschiedene Schulen der Region hatten sich daraufhin für das Zertifikat beworben. Der Hauptschule Neuenhof gelang es nun mit ihrem Konzept, die Jury zu überzeugen. "Außer dem "Gut Drauf-Frühstück" gibt es einen regelmäßigen Gesundheitstag. Zusätzlich existiert ein Kiosk, der sein Angebot nach ernährungsphysiologischen Aspekten zusammenstellt", berichtet Evelyn Burkhart, Koordinatorin Gesundheitsförderung im Rhein-Sieg-Kreis. "Weil die Schule neben dem Ernährungsbereich auch die Kriterien aus den Feldern Bewegung und Entspannung erfüllt, hat sie das Rennen gemacht", so Burkhart.

Riesenandrang bei der "Traumpause"

Mit den Ausschlag gab bei der Bewertung auch die "Traumpause". Jeden Mittwoch verwandelt sich dabei der eigentlich kühl wirkende Gymnastikraum der Schule für zwanzig Minuten in eine "Entspannungs-Insel". So auch heute. Das Licht ist ausgeschaltet, stattdessen sind Lichterketten über die Decke gespannt. Stoffbänder in rot und grün liegen auf dem Boden, in der Ecke des Raumes steht ein CD-Player. Zu hören sind ganz ruhige Instrumental-Klänge, ansonsten ist es mucksmäuschenstill, der Duft von Massageöl dringt in die Nase. 20 Mädchen und Jungen liegen meist zu zweit auf verschiedenen Matratzen- und massieren sich. So auch der 12-jährige Ali. Er verreibt sich etwas Öl zwischen seinen Händen und begibt sich an die Rücken-Massage seines Kumpels. "Das vermindert total den Stress. Es ist richtig entspannend und schön, so beruhigende Musik zu hören", erzählt Ali begeistert. Sein Freund Turhan meint: "Ich massiere jetzt sogar ab und zu meine Eltern. Die haben gemerkt, wie gut ihnen das tut; und mir natürlich auch".

 Sozialpädagogin Izabela Frzop kann sich vor Anmeldungen zur "Traumpause" kaum retten. Weil der Andrang so groß ist, müssen sich interessierte Schüler in eine Liste eintragen, um im Gymnastikraum dabei sein zu können. "Das ist Wahnsinn- am Anfang hätte ich das nicht gedacht. Ziel unserer Übungen ist die aktive Entspannung, der Stressabbau. Vor allem nach Klassenarbeiten kommen die Kinder gerne hierhin", berichtet Frzop. "Wir geben ihnen natürlich auch die Möglichkeit, den Körperkontakt miteinander zu erleben. Das Gemeinsame steht bei den Übungen im Vordergrund", ergänzt die Sozialpädagogin. Unterstützt wird sie bei der Vorbereitung der "Traumpause" von einigen "Gut Drauf"- Helfern. Das sind insgesamt 32 Schüler der 7. und 8. Klassen, die bei den verschiedenen Projekten der Schule mit anpacken. Bei der "Traumpause" bedeutet dies vor allem, den Gymnastikraum jedes Mal aufs Neue in ein gemütliches Zimmer zu verwandeln.

Auf dem Erfolg der "Traumpause" und vom gesamten "Gut Drauf"-Projekt will sich Schulleiter Thomas Scholz nicht ausruhen. Im Gegenteil: "Mich treibt es an, vielen Kindern auch ein Stück weit ein Zuhause zu geben. Ihnen zumindest hier ein gesundes soziales Umfeld zu schaffen, dass sie zum Lernen brauchen." Der 56-Jährige ist optimistisch: "Der richtige Erfolg zeigt sich doch erst, wenn sich die Gedanken hinter "Gut Drauf" in den Köpfen der Kindern etabliert haben. Nachhaltigkeit- das ist wichtig. Ich bin überzeugt davon, dass wir das schaffen können." Schaffen will Scholz natürlich auch den nächsten Erhalt eines "Gut Drauf"-Zertifikates in drei Jahren. Dann müssen Ernährung, Bewegung und Entspannung immer noch eine entscheidende Rolle im Schulalltag spielen. Da fügt der Schulleiter schnell noch einen Satz dazu, leicht schmunzelnd: "Wir müssen natürlich auch darauf achten, dass wir als Pädagogen bei der ganzen Arbeit mit den "Gesundheits-Projekten" nicht noch krank werden."

Zur Homepage der Schule klicken Sie bitte hier. Alle weiteren Informationen zu "Gut Drauf" bekommen Sie hier. Gesundheitsförderung an Schulen ist auch die Aufgabe des Landesprogramms Bildung und Gesundheit.