
Ankommen, Lernen, Dazugehören – gelebte Integration an der Bonifatiusschule
Seit drei Jahren besuchen Tausende geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine Schulen in Nordrhein-Westfalen. Die Bonifatiusschule in Düsseldorf ist eine von ihnen. Wie dort die Integration der ukrainischen Schülerinnen und Schüler gelingt und wie das Schulministerium die nordrhein-westfälischen Schulen dabei unterstützt – ein Ortsbesuch.
[Schule NRW 03-25]
Am 24. Februar jährte sich der Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine bereits zum dritten Mal. Seit 2022 haben Zehntausende geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Nordrhein-Westfalen eine neue schulische Heimat gefunden. Sie kamen in ein fremdes Land, oft ohne Sprachkenntnisse und mit der Unsicherheit darüber, wie lange sie bleiben würden.
Die Schulen leisten tagtäglich Großartiges: Sie bieten den neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern Halt, Gemeinschaft und Perspektiven. Ob durch gezielte Sprachförderung, individuelle Unterstützung oder ein herzliches Miteinander – Lehrkräfte, Schulleitungen, Schulsozialarbeitende und die gesamten Schulgemeinschaften setzen sich mit viel Engagement für die Integration der Kinder und Jugendlichen ein.
Auch an der Bonifatiusschule in Düsseldorf, von der Schulgemeinschaft liebevoll „die Boni“ genannt, ist diese gelebte Integration spürbar. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat die Grundschule zahlreiche Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine aufgenommen, viele von ihnen besuchen inzwischen den Regelunterricht oder eine weiterführende Schule. Zum dritten Jahrestag des Beginns des Angriffkriegs Russlands gegen die Ukraine besuchte Schulministerin Dorothee Feller die Schule, um sich vor Ort ein Bild von der erfolgreichen Integration zu machen.
An einem sonnigen Februartag stehen Veronica, Kira und Sima vor dem Schulgebäude dicht beieinander. Immer wieder werfen sie Blicke zur Straße und tuscheln aufgeregt – auf Ukrainisch. Heute haben sie eine besondere Aufgabe: Sie holen Schulministerin Feller ab. Neben ihnen steht Schulleiterin Friederike Niehaus mit einem warmen Lächeln. Als der Wagen vorfährt, wechseln die drei Mädchen mühelos ins Deutsche und begrüßen ihre Besucherin. Selbstbewusst führen sie sie durch das Treppenhaus, in dem das Sonnenlicht durch ein Fenster mit bunter Glasmalerei farbige Muster auf den Boden wirft. Vor drei Jahren konnten sie kaum ein Wort Deutsch – heute zeigen sie stolz ihre Schule, die längst zu ihrem zweiten Zuhause geworden ist.
Gezielt Deutsch lernen in kleinen Gruppen
Ihr Weg führt sie zur Tür des Förderraums, wo bereits gespannte Gesichter warten. In der Mitte des Raumes sitzt eine Gruppe von Kindern mit ihrer Sprachförderkraft Sonja Eickhoff im Stuhlkreis. Die Ministerin setzt sich dazu und wird von den Kindern freudig begrüßt.
Heute stehen spielerische Sprachübungen auf dem Programm. Reihum sagt jeder zunächst seinen Namen und fragt die Sitznachbarin oder den Sitznachbarn nach dem Namen. Darauf folgen Alter und Lieblingsfarbe – kleine, aber wichtige Bausteine für die Sprachpraxis. Die Runde geht weiter, die Kinder antworten konzentriert, manche noch etwas schüchtern, andere ganz selbstbewusst.
Dann verteilt Frau Eickhoff kleine Rätselkarten, die Lösungen der kurzen Knobelaufgaben stehen auf der Rückseite. Kira liest die erste Karte vor: „Es hat viele Glieder und doch keine Knochen. Was ist das?“ Die Kinder überlegen und kichern. „Eine Kette!“, ruft Veronica schließlich – richtig!
Es sind genau diese spielerischen Momente, in denen die Kinder nicht nur Deutsch lernen, sondern auch Selbstvertrauen gewinnen. Die Bonifatiusschule setzt auf Methoden, die den Spracherwerb mit allen Sinnen fördern: Memory-Karten, Würfelspiele, Bewegungen und Rhythmen werden eingesetzt, um den Wortschatz und die Grammatik der Kinder zu festigen. Sprachliche Rituale, feste Satzmuster und Wiederholungen helfen den Kindern, sich immer sicherer im Deutschen auszudrücken.
13 Kinder aus der Ukraine besuchen derzeit die Bonifatiusschule – landesweit sind es im aktuellen Schuljahr rund 56.200 ukrainische Schülerinnen und Schüler. Um die Schulen bestmöglich zu unterstützen, hat das Schulministerium 2022 ein umfassendes Rahmenkonzept entwickelt. Es bietet praxisnahe Hinweise, wie der Unterricht vor Ort für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler geplant, organisiert und durchgeführt werden kann.
Verfügen die Schülerinnen und Schüler noch nicht über ausreichende Deutschkenntnisse, werden sie zunächst in der Erstförderung, auch Deutschförderung genannt, unterrichtet. Die Deutschförderung kann dabei von den Schulen auf unterschiedliche Art und Weise organisiert werden:
- in innerer Differenzierung, bei der die Kinder und Jugendlichen vollständig am Regelunterricht teilnehmen,
- in teilweise äußerer Differenzierung, das bedeutet, die Kinder und Jugendlichen besuchen eine eigene Lerngruppe und nehmen teilweise am Regelunterricht teil oder
- in vollständiger äußerer Differenzierung, das heißt in eigenen Lerngruppen, den sogenannten Willkommensklassen.
Der Unterricht folgt einem klaren Ziel: Die Kinder sollen möglichst schnell Deutsch lernen, um aktiv und umfassend am Regelunterricht teilnehmen zu können. An der Bonifatiusschule hat sich die teilweise äußere Differenzierung bewährt – die Schülerinnen und Schüler sind fest in eine Regelklasse integriert und erhalten gleichzeitig mehrmals pro Woche gezielten Deutschunterricht in Kleingruppen.
Die Bonifatiusschule hat in den vergangenen Jahren wertvolle Erfahrungen gesammelt und flexibel auf die Herausforderungen reagiert. Zu Beginn des Krieges wurden neu angekommene Schülerinnen und Schüler jeden Morgen zwei Schulstunden in einer separaten Gruppe betreut, um ihnen das Ankommen zu erleichtern. Seit einigen Monaten ist diese Unterstützung nicht mehr nötig. Die Kinder sind vollständig in den Schulalltag integriert und fühlen sich in ihren Klassen und mit der zusätzlichen Sprachförderung sehr wohl.
So können sie ihre Sprachkenntnisse gezielt verbessern, haben aber gleichzeitig durch den Kontakt zu deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern im Regelunterricht viele Gelegenheiten, die Sprache zu üben und im Klassenverband Anschluss zu finden.
Integration im Klassenzimmer – Gemeinsam lernen und wachsen
Ein fröhlicher Gesang schallt durch das Klassenzimmer der 3a, begleitet von Gitarrenklängen der Klassenlehrerin Stefanie Weber. „Guten Morgen, guten Morgen!“, singen die Kinder, als die Ministerin den Raum betritt. Heute geht es um das Thema „Ukraine und Deutschland“. Die Tische sind mit Papier, Stiften und Scheren bedeckt. Die Kinder schreiben deutsche Wörter und malen dazu Symbole – das Wort Sonne mit einer gelben Sonne in dem „O“, das Wort Ostern mit einem bunten Osterei als Wortanfang, das Wort Blitz mit einem Blitz als „z“. Ein Kind schreibt das Wort Haus und malt das Symbol in den Farben der deutschen und ukrainischen Flagge aus. Die Kinder schneiden die Wörter aus und kleben sie auf Plakate.
Kira aus Odessa zeigt stolz ihr Blatt. Sie hat neben den deutschen Wörtern auch einige ukrainische Wörter mit Symbolen versehen – eine Eule, ein Papagei, eine Ananas. „So können sogar ihre Mitschülerinnen und Mitschüler die ukrainischen Worte erkennen“, erzählt Klassenlehrerin Stefanie Weber. „Alle Kinder profitieren voneinander und bereichern die Klassengemeinschaft.“
Die Atmosphäre ist lebendig – die Kinder lachen, schreiben, schneiden und tauschen sich aus. Hier, mitten im Klassenzimmer, wird sichtbar, wie Integration gelingt – mit Offenheit, Neugier und Freude.
Im Unterricht im Klassenverbund erhalten die Kinder zum Teil Lern- und Arbeitsmaterial mit einfacherem Wortschatz, damit sie dem Unterricht möglichst gut folgen können und Aufgaben nach ihren Fähigkeiten erledigen können. An vier Wochentagen unterrichtet sie zusätzlich eine Fachkraft Sprachförderung in einer festen Kleingruppe.
Herausforderungen und Lösungen – wie NRW Schulen unterstützt
Um die Schulen bei der Integration und Deutschförderung zu unterstützen, stellt das Schulministerium landesweit über 5.000 Integrationsstellen zur Verfügung und erleichtert die Einstellung von geflüchteten Lehrkräften und weiterem Personal. Eine von ihnen ist Julia Posokhova, die an der Bonifatiusschule als Alltagshelferin arbeitet. In der Ukraine unterrichtete sie Englisch, nun begleitet sie die Kinder im Schulalltag und lässt aktuell ihren Abschluss anerkennen. „Kinder sind Kinder, und Lehrer sind Lehrer“, sagt sie mit einem Lächeln – egal in welchem Land. Rund 270 ukrainische Lehrkräfte unterrichten derzeit an nordrhein-westfälischen Schulen.
Das Schulministerium stellt allen Schulen zudem einen neuen Praxisleitfaden zur Deutschförderung neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Ein Schwerpunkt liegt auf der Alphabetisierung von denjenigen Kindern und Jugendlichen, die zunächst noch grundlegende Lese- und Schreibkompetenzen in der deutschen Sprache bzw. dem lateinischen Alphabet erwerben müssen.
Das Schulministerium verfolgt auch das Ziel, die sprachliche und kulturelle Identität der ukrainischen Schülerinnen und Schülern zu stärken. Ein zentrales Instrument hierfür ist der Herkunftssprachliche Unterricht (HSU), der auch in Ukrainisch angeboten wird. Der HSU in Nordrhein-Westfalen ist ein freiwilliges Angebot für Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Familiensprache als Deutsch, das landesweit über 106.000 Schülerinnen und Schüler in insgesamt 30 unterschiedlichen Sprachen besuchen. Das Land NRW beschäftigt mehr als 1.000 Lehrkräfte alleine für den HSU. Am HSU Ukrainisch nehmen im laufenden Schuljahr rund 2.000 Schülerinnen und Schüler teil.
Mehr als nur Sprache – Wie Schulen ein Zuhause bieten
Der Besuch an der Bonifatiusschule zeigt eindrucksvoll: Integration ist mehr als das Erlernen einer neuen Sprache. Die Schulen geben den Kindern eine Perspektive, binden sie in die Gemeinschaft ein und geben ihnen ein Stück Sicherheit. Alle Kinder lernen mit- und voneinander und können mit ihren unterschiedlichen Geschichten und Hintergründen gemeinsam wachsen.
Als die Ministerin sich verabschiedet, winken Kira, Veronica und Sima ihr nach. Noch vor drei Jahren war alles fremd – jetzt sind sie angekommen. Die Bonifatiusschule steht stellvertretend für viele Schulen in Nordrhein-Westfalen und ist ein Beispiel dafür, wie Integration neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher gelingen kann: mit Engagement, Offenheit und einem starken Zusammenhalt.
Autorin: Anna-Maria Reller, Ministerium für Schule und Bildung NRW
Bonifatiusschule – Katholische Grundschule Im Dahlacker
Die Bonifatiusschule – Katholische Grundschule Im Dahlacker liegt im Düsseldorfer Stadtteil Bilk und wird von 307 Schülerinnen und Schülern in zwölf Klassen besucht. Die Schule arbeitet jahrgangsbezogen in Dreizügigkeit. Zwanzig Lehrkräfte unterrichten an der Grundschule. Geleitet wird sie von Friederike Niehaus und ihrer Vertreterin Stefanie Weber.
Weitere Informationen unter: https://bonifatiusschule-duesseldorf.de/
Bildergalerie: Ministerin Feller an der Bonifatiusschule Düsseldorf
Navigationshinweise zur Galerie
Benutze im nächsten Element die Pfeiltasten links und rechts zum Blättern der Galerie
Social Media Einstellungen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an die nachfolgenden Dienste übertragen und dort gespeichert:
Facebook, X/Twitter, Youtube, Pinterest, Instagram, Flickr, Vimeo
Bitte beachten Sie unsere Informationen und Hinweise zum Datenschutz und zur Netiquette bevor Sie die einzelnen Sozialen Medien aktivieren.
Datenfeeds von sozialen Netzwerken dauerhaft aktivieren und Datenübertragung zustimmen: