„Auschwitz unter unseren Füßen“
Auschwitz – dieser Name steht wie kein anderer für die systematische Vernichtung der europäischen Juden durch Nazi-Deutschland während des Zweiten Weltkrieges. Aus Anlass des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers am 27. Januar ist Schulministerin Dorothee Feller gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Janusz-Korczak-Gesamtschule aus Neuss nach Polen gereist, um die Gedenkstätte zu besuchen und der Opfer zu gedenken.
[Schule NRW 01-25]
„Ich fand es furchtbar, die vielen Haare zu sehen und von den Experimenten mit Menschen zu hören“, sagt die 16-jährige Schülerin Naz am Abend nach ihrem Besuch in Auschwitz tief berührt. Auch bei ihrem Mitschüler Florian, 16, hinterlässt der Besuch Spuren: „Ich fand es besonders schlimm, die vielen Schuhe zu sehen, die dort ausgestellt waren.“
Naz und Florian sind zwei von insgesamt 14 Schülerinnen und Schülern der Janusz-Korczak-Gesamtschule aus Neuss, die gemeinsam mit Schulministerin Dorothee Feller das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz im heutigen Polen besuchen.
„Arbeit macht frei“ – durch das Tor mit der zynischen Aufschrift mussten sich die Häftlinge des Stammlagers Auschwitz I jeden Tag zum Arbeitseinsatz schleppen. Abends achtete die Lager-SS ganz genau darauf, dass keiner fehlte, auch nicht diejenigen, die während der Zwangsarbeit zu Tode gekommen waren; sie mussten zurückgetragen werden. 12.000 bis 20.000 Häftlinge waren im Stammlager - in den Gebäuden einer ehemaligen polnischen Kaserne – zusammen eingesperrt.
Heute befindet sich dort eine Ausstellung, die Zeugnis ablegt von dem unmenschlichen Grauen, das sich hier zugetragen hat. Gebetstücher, Berge von Koffern mit den Namen und Adressen der Opfer, Prothesen, Schuhe, Kinderkleidung, 40 Kilogramm Brillen und zwei Tonnen Haar, das den deportierten Frauen abgeschnitten wurde, sind in der Ausstellung zu sehen. Fotografien aus dem Jahr 1944 zeigen, was damals im Lager geschah.
Zwischen Block 10 und dem Lagergefängnis in Block 11 befand sich damals die sogenannte Todeswand. Hier vollstreckte die Lager-SS tausende Todesurteile. Die Verhandlungen im Gebäude nebenan dauerten nur Minuten. Nach der Exekution wurden die Toten ins Krematorium gebracht. Mehr als 20.000 Menschen wurden an der Todeswand durch Erschießen hingerichtet. Im Keller von Block 11 befanden sich die Gefängniszellen. Dunkelzellen, Hungerzellen, in denen die Häftlinge zu Tode gehungert wurde, Stehzellen, in denen vier Häftlinge auf engstem Raum zusammengepfercht waren und es unmöglich war, sich hinzusetzen oder hinzulegen. Sie mussten die Nächte hindurch stehen, bevor sie am nächsten Morgen wieder zum Arbeitseinsatz abgeholt wurden und die Tortur von Neuem begann. Im Gedenken an die Opfer entzündeten die Schülergruppe aus Neuss und die Ministerin an der Todeswand Kerzen.
Der Besuch des ehemaligen Lagers war von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungsstätte im Museum intensiv vorbereitet worden. In einem Workshop wurde den Schülerinnen und Schüler Auschwitz nähergebracht. 1,3 Millionen Menschen wurden nach Auschwitz deportiert. Etwa 1,1 Millionen Menschen wurden ermordet, darunter etwa eine Millionen Jüdinnen und Juden. Neben ihnen zählten Polinnen und Polen, Sinti und Roma sowie sowjetische Kriegsgefangene zu den größten Opfergruppen.
Andrzej Kacorzyk, Leiter des Bildungszentrums, begrüßte die Schülergruppe: „Wir freuen uns sehr, dass Sie gekommen sind. Hier zu sein und Auschwitz unter unseren Füßen zu haben, ist etwas ganz Besonderes. Es ist wichtig, die Erinnerung an den Holocaust auch in Ihrer Generation wach zu halten.“ Seit einem Jahr bietet die Gedenkstätte auch eine digitale Führung durch Auschwitz an. Nähere Informationen dazu gibt es hier.
Im zweiten Teil der Führung besuchten die Schülerinnen und Schüler mit der Ministerin das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, einige Minuten mit dem Bus vom Stammlager entfernt. Hierher deportierten die Nazis Jüdinnen und Juden aus ganz Europa, um sie zu ermorden. Nach dem Eintreffen der Züge, in denen die Menschen wie Vieh zusammengepfercht transportiert wurden, erfolgte an der Rampe die Selektion. Wer nicht zur Zwangsarbeit fähig war, wurde direkt nach der Ankunft ermordet. Vier Gaskammern gab es auf dem Gelände, in denen die Menschen mit Zyklon B vergast wurden. Jüdische Sonderkommandos hatten die Aufgabe, die Leichen in die Krematorien zu bringen, damit sie dort verbrannt werden konnten.
Wer dem Tod zunächst entronnen war, war zur Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen verurteilt. In den Baracken waren bis zu 700 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht. Für die kalten Winter in Polen gab es zwar Heizungen, weil die Bauvorschriften das vorgaben, jedoch waren sie so gut wie nie in Betrieb – denn das stand ja nicht in den Vorschriften.
Am 27. Januar 1945 wurde das Lager von der Roten Armee befreit. Zu dem Zeitpunkt befanden sich dort nur noch etwa 7.000 Häftlinge. Nachdem die Nazis bereits 1944 damit begonnen hatten, das Lager zu räumen und ihre Spuren zu verwischen, wurden noch rund 58.000 Häftlinge auf Todesmärsche Richtung Westen geschickt. Wer vor Erschöpfung nicht mehr weitergehen konnte, wurde von den SS-Wachen erschossen, daher der Name.
Zum Abschluss des Besuchs kamen die Schülerinnen und Schüler wieder zusammen, um im zweiten Teil des Workshops über das Gesehene zu sprechen und sich auszutauschen. „Mir ist es sehr nahe gegangen, als wir in der Gaskammer waren und wir die Enge fühlen konnten, die die Häftlinge kurz vor ihrem Tod erlebt haben mussten“, erinnert sich der 16-jährige Moritz.
Für Schulministerin Feller ist das Gedenken an die Geschichte des Holocaust besonders wichtig: „Die systematische Vernichtung der europäischen Juden ist ohne Beispiel. Aus dem Grauen des Massenmords erwächst für uns die Verantwortung, die Erinnerung wach zu halten und aus der Geschichte zu lernen. Antisemitismus hat in unserem Land keinen Platz.“ Nordrhein-Westfalen unterstützt Gedenkstättenfahrten von Schülerinnen und Schülern jährlich mit rund zwei Millionen Euro. Nähere Informationen gibt es hier.
Da Ministerin Feller neben dem Gedenken an den Holocaust auch die Präsentation des jüdischen Lebens besonders wichtig ist, war der Besuch in Auschwitz eingerahmt von einer Führung durch den jüdischen Stadtteil Kazimierz in Krakau und einem Besuch des Jüdischen Gemeindezentrums.
Im 14. Jahrhundert vom König gegründet, wurden später die Jüdinnen und Juden der Stadt nach Kazimierz abgeschoben. In der Folgezeit entwickelte sich Kazimierz bis zum Zweiten Weltkrieg zu einem Zentrum jüdischer Kultur und jüdischen Lebens. Mit dem Einmarsch der Deutschen 1939 begann die systematische Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist der Stadtteil wiedererblüht und ein lebendiges Szeneviertel ist entstanden.
Sebastian Rudol begrüßte die Ministerin im Jewish Community Center und stellte die vielfältige Arbeit des Vereins vor, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Krakau durch verschiedene Bildungsangebote zu unterstützen.
Heute hat der Verein über eintausend Mitglieder, die sich aktuell zum Beispiel sehr dafür einsetzen, Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, zu unterstützen. Es gibt eine Kleidersammlung und eine warme Mittagsküche für Bedürftige.
Für die Jüdinnen und Juden in Polen, die den Holocaust überlebt hatten, begann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg eine schwierige Zeit. Unter kommunistischer Herrschaft versuchten viele Jüdinnen und Juden das Land zu verlassen. „Der Antisemitismus war nicht weg“, sagt Rudol. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs jedoch hat sich die Situation verbessert. „Polen ist heute ein sicheres Land für Juden“, so Rudol. Die jüdische Gemeinde wächst wieder. Viele Polinnen und Polen wollen heute wissen, ob sie jüdische Wurzeln haben und betreiben Ahnenforschung. „Heute wird in unseres Bars Klezmer-Musik gespielt; jüdische Cafés öffnen.“ Sieben Synagogen gibt es in Kazimierz, nicht alle werden als Gebetshäuser genutzt, aber das jüdische Leben ist in die Stadt zurückgekehrt.
„Lange Jahre haben wir keine Sicherheitsvorkehrungen an unserm Eingang gebraucht“, erklärt Rudol. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat sich das leider auch hier geändert. Wir hoffen jedoch, dass wir bald wieder zu unserer gewohnten Offenheit zurückkehren können, denn die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Krakau ist eine Geschichte der Hoffnung. Die Polinnen und Polen sind Jüdinnen und Juden gegenüber freundlich eingestellt. Und wenn das so ist, dann ist das auch für andere Minderheiten möglich.“
„Auschwitz unter unseren Füßen“
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