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Deutsche und französische BK-Schülerinnen und -Schüler üben sich gemeinsam inHandform- und Feingussverfahren

Berufskollegs in der Tradition des Élysée-Vertrags

Berufsfachliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Für die „Deutsch-Französische Zusatzqualifikation am Berufskolleg“ erarbeiten Lehrende und Lernende beider Länder gemeinsam Lernsituationen.

[Schule NRW 09-22]

Der am 22. Januar 2019 in Aachen unterzeichnete Vertrag über die „deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration“ knüpft an die Tradition des Élysée-Vertrags an. Der Ausbau von Mobilitätsprogrammen in der Schul- und Berufsbildung und die Förderung des gegenseitigen Spracherwerbs gehören zu den wesentlichen Vorhaben, mit denen Frankreich und Deutschland den Aachener Vertrag umsetzen.

Mit der Entwicklung einer „Deutsch-Französischen Zusatzqualifikation am Berufskolleg“ (DFZQ PRO) setzt Nordrhein-Westfalen diesen Auftrag konkret um.

 

Impulse und Leitideen für die Entwicklung einer DFZQ PRO

Grundlegend für die DFZQ PRO in NRW ist die Entwicklung und Durchführung binationaler berufs- oder bildungsgangbezogener (auch digitaler) Lernsituationen, um damit die berufsfachliche Zusammenarbeit zwischen den deutschen und französischen Schulpartnern (Lernende, Lehrende, Ausbildungszentren etc.) zu stärken. Durch die schülernahe Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von bilateralen berufsfachlichen Aktivitäten, zum Beispiel „Service an einer Pkw-Klimaanlage“ (KFZ-Mechatronikerinnen/Mechatroniker) oder „Entwicklung einer 3er Typo-Kartenserie (Mediengestalterinnen/Mediengestalter Digital und Print) innerhalb des eingebundenen Bildungsgangs werden interkulturelle und fremdsprachliche Kompetenzen (auch für Lernende ohne Vorkenntnisse) realitätsnah vermittelt. Im anschließenden Assessmentverfahren wird vor allem Raum für die Reflexion des Kompetenzerwerbs, aber auch der Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden gegeben. Ein betriebliches Praktikum und/oder berufsbildende Projekte in Frankreich sind integraler Bestandteil der für den Erwerb der DFZQ PRO ausgewählten Bildungsgänge. Mit der DFZQ PRO erwerben die Schülerinnen und Schüler gleichzeitig die Zertifizierung der “internationalen beruflichen Mobilität”.

 

Pilotphase und Einbindung von Berufskollegs in NRW

Die Grafik zeigt den Zeitrahmen der Pilotphase der DFZQ.

Insgesamt elf Berufskollegs aus Nordrhein-Westfalen haben trotz schwieriger Pandemielage Interesse an der Mitarbeit gezeigt. Bedingung für die Teilnahme war die Erfüllung bestimmter Kriterien wie beispielsweise eine bereits bestehende Partnerschaft, Arbeitsgruppe/Unterricht Französisch, die Bereitschaft auch zu digitaler Zusammenarbeit, ein interessierter Bildungsgang und die Zustimmung der Schulleitung. Sechs Berufskollegs haben die Kriterien zur Teilnahme erfüllt: Berufskolleg Werther Brücke in Wuppertal, Friedrich-Albert-Lange-Berufskolleg in Duisburg, Walter-Gropius-Berufskolleg in Bochum, Berufskolleg Südstadt Köln, Dietrich-Bonhoeffer-Berufskolleg in Detmold und das Robert-Wetzlar-Berufskolleg in Bonn. Sie nahmen an der Pilotphase im Schuljahr 2021/2022 teil. In einer Feierstunde im Haus der Universität in Düsseldorf im April 2022 wurden 27 Schülerinnen und Schülern die ersten Zertifikate der DFZQ PRO überreicht.

 

Das Curriculum

Die Grafik zeigt Anforderungssituationen im Rahmen der DFZQ.

Praktika von mindestens zwei Wochen bis zu einem Viertel der Ausbildungszeit im Partnerland sind integrativer Bestandteil der Zusatzqualifikation. Alternativ können die Lernenden an einem deutsch-französischen beruflichen Projekt teilnehmen, wobei eine Woche im Partnerland und die verbleibende Zeit in dem Berufskolleg/Lycée Professionnel gemeinsam mit einer Austauschgruppe der Partnerschule stattfindet.

Das Curriculum der DFZQ PRO umfasst 40 Unterrichtsstunden und wird in die Didaktische Jahresplanung der Bildungsgänge am Berufskolleg integriert, welche die Zusatzqualifikation anbieten. Hierzu kann sowohl der berufsfachliche, der berufsübergreifende und/oder auch der Differenzierungsbereich herangezogen werden.

 

Einbindung der französischen Partner

Die Initiative zu DFZQ PRO ging von deutscher Seite aus: Es handelt sich um ein Projekt des Landes NRW, das in der Amtszeit des NRW-Ministerpräsidenten als Kulturbevollmächtigter für die deutsch-französischen Beziehungen von der Gruppe Berufliche Bildung im MSB ins Leben gerufen wurde. Frühzeitig wurden französische Partner und Partnerakademien über das Vorhaben informiert, so dass bereits im November 2020 der Konzeptansatz der DFZQ PRO und die Einbindung der deutschen Pilotberufskollegs mit ihren französischen Partnern der Deutsch-Französischen Expertenkommission vorgestellt werden konnten. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt das Curriculum noch in der Entwicklung befand, stieß der Ansatz einer deutsch-französischen Zertifizierung in der Beruflichen Bildung auf großes Interesse und auf die Bereitschaft der französischen Seite, die beteiligten Akademien und Lycées Professionnels hierbei zu unterstützen.

In der ersten Pilotrunde waren die Akademien Lille, Lyon, Reims und Versailles, also die Akademien, zu denen die französischen Partnerschulen der sechs Pilotberufskollegs gehören, beteiligt. Im Schuljahr 2022/2023 wird auch die Akademie Aix-Marseille aktiv am Projekt teilnehmen.

 

Einbindung externer Partner und ihrer Unterstützungsangebote

In die konzeptionelle Entwicklung der DFZQ PRO wurden außer den fünf EU-Geschäftsstellen für Wirtschaft und Berufsbildung bei den Bezirksregierungen sowohl ProTandem  als auch das Deutsch-Französische Jugendwerk  einbezogen. Diese hatten bereits angesichts der sich fortsetzenden pandemiebedingten Schwierigkeiten bei der Durchführung von beruflichen Mobilitäten und den Austausch begleitenden Sprachkursen dringenden Handlungsbedarf gesehen, ihre Unterstützungsformate anzupassen.

So konnten sie den Verantwortlichen für die Umsetzung der DFZQ PRO in den Pilotschulen immer wieder Anpassungen ihrer Unterstützungsangebote präsentieren. Das machte es den Schulen leichter, auch in Pandemiezeiten Lernende zu motivieren, an der DFZQ PRO und ihren Mobilitäten teilzunehmen.

Für die finanzielle Förderung der beruflichen Mobilität besteht die Möglichkeit, dass Berufskollegs einen Förderantrag bei ProTandem oder dem DFJW beziehungsweise zur Leitaktion 1 des Erasmus+-Programms bei der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA-BIBB) stellen.

Von Beginn der Planungen zur DFZQ PRO an waren sowohl die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund als auch die Handwerkskammer zu Düsseldorf eingebunden. In der Entwicklungsphase brachten die Vertreterinnen und Vertreter beider Institutionen ihre positive Einschätzung zum Ausdruck und kündigten ihre Unterstützung des Vorhabens gegenüber den betrieblichen Partnern an.

 

Bedeutung der DFZQ PRO für die Berufskollegs

Mit der Erarbeitung eines eigenen Schulprogramms gestalten die Berufskollegs „die besonderen Ziele, Schwerpunkte und Organisationsformen“ ihrer pädagogischen Arbeit. Zu diesem Erarbeitungsprozessgehört auch die schulinterne Diskussion über eine mögliche angestrebte Internationalisierung und ihrer gesamtschulischen Umsetzung.

Die Lernenden können das erworbene Zertifikat ihrem Bewerbungsportfolio hinzufügen und damit ihr persönliches berufliches Profil deutlicher machen. So wird es sowohl von Auszubildenden als auch Ausbildenden gewünscht.

 

Ausblick

Die zweite Runde der Durchführung der DFZQ PRO in NRW startet im Schuljahr 2022/2023 mit sieben weiteren Berufskollegs. Im Zuge der Entwicklung von gemeinsamen Lernsituationen eröffnet die DFZQ PRO auch Motivation zur Weiterbildung der beteiligten Lehrkräfte sowie der Ausbilderinnen und Ausbilder im Rahmen binationaler Projekttreffen. In diesen Treffen können auch Ausbildungsbetriebe stärker in die konzeptionelle Entwicklung der Berufsspezifik von Lernsituationen eingebunden werden. Als Themen bieten sich hier unter anderem betriebliches Lernen, Zusammenarbeit Schule/Betrieb im Rahmen der Lernortkooperation sowie die Entwicklung und Abstimmung gemeinsamer Prüfungsverfahren an. Auf der Basis der unterschiedlichen deutschen und französischen Traditionen kann in diesen Zusammenkünften auch vielfältig und kreativ am Wertesystem der europäischen Demokratie sowie der Berufsbildung gearbeitet werden.

 

 

Autorinnen und Autoren: Christoph Harnischmacher-Albrecht, Barbara Lindstaedt, Bärbel Thein-Kruppa, Martina Schrapper, Geschäftsstelle für EU-Projekte und berufliche Qualifizierung bei der Bezirksregierung Düsseldorf