Stottern und Schule
Was ist Stottern?
Stottern ist eine Sprechbehinderung, die sich im Wiederholen von Wörtern, Silben und Lauten sowie Blockaden äußert. Häufig ist Stottern mit einer übermäßigen Anstrengung beim Sprechen verbunden, die zu auffälligen Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur und zu zusätzlichen Körperbewegungen führen kann. Die Sprechstörung ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt und tritt in verschiedenen Situationen unterschiedlich stark auf.
Stottern beruht im Wesentlichen auf einer motorischen Störung der am Sprechen beteiligten Organe. Man kann ebenfalls davon ausgehen, dass eine genetische Grundposition vorliegt. Damit ist eine Bereitschaft des Körpers gemeint, die zum Stottern führen kann - aber nicht muss. Klar ist, dass Stottern nichts mit Intelligenz zu tun hat und keine psychische Störung ist.
Bis zu fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind zumindest zeitweise vom Stottern betroffen. Der Anteil männlicher Stotternder überwiegt den der weiblichen im Verhältnis 4 : 1. Gestottert wurde und wird zu allen Zeiten, in allen Kulturen und Sprachen.
Stotternde Kinder Jugendliche im Schulalltag
Im Leben der meisten Stotternden stellt die Schulzeit eine einschneidende Erfahrung dar. Das stotternde Kind oder der stotternde Jugendliche erfährt verstärkt, dass es oder er in seinen mündlichen Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt ist. Die Betroffenen versuchen zunächst Wörter und Situationen zu vermeiden, die das Stottern offenkundig werden lassen. Ein Teufelskreis aus Reaktionen, Erwartungen und ungünstigen Verhaltensmustern beginnt, die auch die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Je intensiver sich Stotternde bemühen, das Stottern zu unterdrücken, desto gravierender werden die Auffälligkeiten in Verhalten und Sprechmotorik. Jede neue Sprechanforderung kann ein komplexes Angst- und Reaktionsverhalten auslösen.
Ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten kann dazu führen, dass ein stotterndes Kind oder ein stotternder Jugendlicher sich in der Schule nicht mehr zu Wort meldet oder das Stottern etwa durch den Gebrauch von Dreiwortsätzen überspielt. Dieses hat ggf. zur Folge, dass die Sprechbehinderung über längere Zeit unbemerkt bleibt, wenn die Lehrerin oder der Lehrer keine Hinweise von den Eltern erhält.
Die Mitschülerinnen und Mitschüler
Eine differenzierte Betrachtung des Stottersyndroms ist von den Mitschülerinnen und Mitschülern kaum zu erwarten. Über Akzeptanz oder Ausgrenzung entscheiden allein soziale Kompetenzen und subjektive Sympathien. Gelingt es der stotternden Schülerin oder dem stotternden Schüler nicht, sich Respekt zu verschaffen und Sympathien zu erwerben, wird die Aufnahme sozialer Kontakte für beide Seiten erschwert. Der Rückzug in eine Lebensweise mit individuellen Hobbies und ein kaum vorhandener Freundeskreis sind das Resultat.
Zusammenarbeit mit den Eltern
Für die Lehrkräfte ist es häufig nicht einfach, Art und Ausmaß der Behinderung einzuschätzen, die das Stottern mit sich bringen kann. Das Stottern eines Kindes oder eines Jugendlichen kann über längere Zeit unbemerkt bleiben. Aber auch wenn die Sprechbehinderung bekannt ist, kann es schwierig sein, Verhaltensweisen zu verstehen und sich in angemessener Weise dem stotternden Kind oder Jugendlichen gegenüber zu verhalten. Hat die Schülerin oder der Schüler, die bzw. den die Lehrerin oder der Lehrer gerade noch auf dem Schulhof in lebhafter Unterhaltung sah, wirklich eine Sprechbehinderung? Weiß die Schülerin oder der Schüler die Antwort und vermag sie nur nicht auszusprechen oder sucht die Schülerin oder der Schüler lediglich Zeit zu schinden? Woher schließlich soll er die Zeit für die Antwort nehmen und wie die mündlichen Leistungen der Schülerin oder des Schülers bewerten?
Hinweise zum Umgang mit Stottern im Unterricht
Stotternde Kinder und Jugendliche sollten grundsätzlich die Schule besuchen, die dem gewählten Bildungsgang entspricht. Bei angemessenem Umgang mit dem Stottern lassen sich im Unterricht viele Problemsituationen vermeiden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Behinderung erkannt und offen mit ihr umgegangen wird.
Lehrerinnen und Lehrer sind für Schülerinnen und Schüler sprachliche Vorbilder. Eine deutliche Aussprache und ein reduziertes Sprechtempo erleichtern dem stotternden Kind oder Jugendlichen ein ihm angemessenes Sprechtempo zu finden. Stotternde Schülerinnen oder stotternde Schüler wissen, welches Wort sie gerade sagen möchten. Um einen Satz zu beenden, benötigen sie nur mehr Zeit als nicht stotternde Schülerinnen und Schüler.
Absprachen zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern können den Betroffenen das Gefühl vermitteln, dem Stottern nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Solche Vereinbarungen können u. a. folgende Fragen betreffen: Möchten die betroffenen Schülerinnen oder Schüler aufgerufen werden oder sich selbst melden? Wirkt sich die Möglichkeit, ergänzend zum Vortrag Stichwörter an die Tafel zu schreiben, förderlich auf die Sprechflüssigkeit aus?
Nonverbale Unterrichtselemente wie z.B. Pantomimen bieten den Schülerinnen und Schülern die Chance, ihre Stärken zu zeigen.
Viele stotternde Kinder und Jugendliche werden von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern wegen des Stotterns gehänselt. Diese Erfahrung und andere das Stottern unmittelbar betreffende Inhalte können in Unterrichtsprozesse einfließen oder eigenständige Lerninhalte sein.
Bei der Überprüfung mündlicher Leistungen gewährt die Schule stotternden Schülerinnen und Schülern einen Nachteilsausgleich. Dieser kann u.a. darin bestehen, dass die betreffenden Schülerinnen und Schüler zusätzliche Zeitvorgaben bei mündlichen Prüfungen oder Alternativen zu mündlichen Prüfungen erhalten.
Ziele aller unterstützenden Maßnahmen sind, die Schülerinnen und Schüler am Unterricht zu beteiligen und ein Verständnis für Stottern zu entwickeln.
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