Elternsprechtag: Wenn die Schulbank zur Anklagebank wird
Wenn sich Eltern und Lehrkräfte zum gemeinsamen Gespräch treffen, hat das gute Gründe: Sie reden über das jeweilige Kind, seine Leistungen sowie sein Verhalten in der Schule und andere relevante Themen. Ganz einfach? Nein, ganz und gar nicht. Denn Misstrauen, Missverständnisse und gegenseitige Vorwürfe, machen aus der Schulbank schnell eine Anklagebank! Konstruktive Lösungen? Fehlanzeige. Dafür Frust auf beiden Seiten.
von Anja Schimanke
Zu Risiken und Nebenwirkungen
"Elternsprechtag", allein das Wort reicht aus, um einige Eltern in Missstimmung zu versetzen. Lehrer allerdings auch. Warum eigentlich? Was ist so schwierig daran, miteinander zu reden und gemeinsam eine Lösung für die Probleme des jeweiligen Schülers zu finden? Denn darum geht es in der Regel, wenn Eltern das Gespräch mit der Lehrkraft suchen: Warum hat mein Kind Schwierigkeiten in der Klasse? Wieso kommt es in der Schule nicht richtig mit? Wie kann es sein, dass so ein tolles Kind ein derart schlechter Schüler ist?
Die Frage, die zwar keiner der Anwesenden offen ausspricht, aber dennoch mitschwingt und für eine angespannte Atmosphäre sorgt:
Wer hat Schuld an den Schulproblemen des Kindes?
In den Augen der Eltern, ist es die Lehrkraft. Weil sie vermeintlich unfähig erscheint, den Unterricht spannend zu gestalten, für Ruhe in der Klasse zu sorgen oder so zu erklären, dass es jedes Kind versteht. Das alles sagt man natürlich nicht direkt, sondern deutet es an. Die Botschaft ist unmissverständlich: "Sie sind schuldig!"
Für die Lehrerin oder den Lehrer steht allerdings fest: So oft wie das Kind seine Hausaufgaben vergisst, liegen die Schulprobleme eindeutig am Elternhaus. Nicht das Gesagte ist im Gespräch entscheidend, sondern das, was nicht gesagt wird und viel Raum zum Interpretieren und Missverstehen lässt.
"Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es wichtig, dass man während des Gesprächs immer mal wieder nachfragt, was das Gegenüber gehört bzw. verstanden hat", empfiehlt Schulpsychologe Klaus Kuhlmann. Er weiß aus Erfahrung: "Nicht der Sprechende bestimmt die Bedeutung einer Aussage, sondern der Zuhörende".
Im Klartext: Eltern und Lehrkräfte sprechen dieselbe Sprache, aber verstehen müssen sie sich deswegen trotzdem nicht und schon gar nicht richtig. Mal fühlt sich die Lehrkraft als Angeklagte, die beschuldigt wird, mal sind es die Eltern, die sich verteidigen müssen. Beide Parteien versuchen sich nämlich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Statt gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, soll eine schuldige Person gefunden werden, die für die Schulprobleme des Kindes verantwortlich gemacht werden kann.
Schwarzer Peter-Spiel nennt der Schulpsychologe diese Methode: "Beim Thema Schule bietet ein Gespräch oft die gute Gelegenheit, der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner alles unterzujubeln, was man nicht gut findet." Und je wichtiger Schule für das spätere (Berufs)-Leben wird, desto größer werden die gegenseitigen Schuldzuweisungen, die entweder offen ausgesprochen werden, oder die das Gegenüber herauszuhören glaubt. Das Misstrauen wächst, die Auseinandersetzungen werden emotionaler."
"Sobald das Gespräch die gemeinsame Suche nach Lösungen verlässt", erklärt Kuhlmann, "kann alles verletzen und Widerstände und Schulzuweisungen auslösen." Sein Tipp, damit ein gutes Gespräch zwischen Eltern und Lehrern zustande kommen kann: "Beide Gesprächspartner sollten bereit sein, dem Gegenüber zuzuhören und keine Vorwürfe zu äußern!" Jede Seite versuche schließlich, ihr bestes zu geben.
Lesen Sie das komplette Interview "So gelingt ein Eltern-Lehrer-Gespräch" mit Schulpsychologe Klaus Kuhlmann hier.
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