EMSA. Eine (Musik)Schule für alle – Musikalische Bildungswege gemeinsam denken und gestalten
Pausenkonzerte, Übepausen, das „Ensemble Jederzeit“, Musikpatinnen und Musikpaten: An der EMSA-Schule liegt Musik in der Luft. Wie das NRW-Kooperationsprojekt für Musikschulen und weiterführende Schulen funktioniert, zeigt dieser Artikel.
[Schule NRW 12-23]
Ein fiktiver EMSA-Schultag: Es ist 7.45 Uhr – die Schule beginnt. Immer mehr Schülerinnen und Schüler betreten das Schulgebäude, einige von ihnen mit Musikinstrumenten auf dem Rücken. Oben aus einem der Musikräume klingt Musik: Cem und Paula üben für das anstehende Pausen-Weihnachtskonzert. Als zertifizierte Übepatinnen und Übepaten der Schule haben sie die Möglichkeit, auch vor dem Unterricht und außerhalb der festgelegten Übepausen zu musizieren.
In der ersten großen Pause um 9.45 Uhr ertönt eine Durchsage der Musik-SV, die an die Programmvorschläge für das nächste Pausenkonzert erinnert. In der Freistunde hat Philippus Schlagzeugunterricht – oben im Musiktrakt. Im Musikunterricht der 5a stellen zwei Lehrkräfte die heutige Agenda vor: Outdoor-Musizieren wie im Mittelalter – wie ist das möglich - unplugged – im Winter, ganz ohne Verstärkung? Es wird gemeinsam Musik gehört und reflektiert: Bordun, Drehleier und Improvisation entpuppen sich als typische Merkmale mittelalterlicher Musik. Diese gilt es nun musizierend zu erproben. Einige Kinder greifen zum I-Pad-Wagen, andere setzen sich an Keyboards, etwa acht Schülerinnen und Schüler nehmen Instrumente, sie zusammen bilden das „5er Ensemble Jederzeit“. Gemeinsam proben auch sie nun den mittelalterlichen Tanz mit Bordun und pentatonischen Improvisationen – auf ihren eigenen Instrumenten, die sie in der Grundschule im Kontext von Jekits begonnen haben zu lernen.
Nach der Mittagspause geht Justyna zusammen mit ihrer Freundin von der Mensa in den Musiktrakt, setzt sich mit Kopfhörern auf ein Sofa und entspannt. Einige um sie herum üben auf Instrumenten, werden dabei unterstützt durch Übepatinnen und –paten. Justyna liebt es, in der „MusizierLounge“ dabei zu sein. Gleich wird auch sie musizieren, dann startet die „MehrMusikWerkstatt“, ein voraussetzungsoffenes Ensemble-Angebot. Hier spielt sie seit Kurzem Gitarre – das macht ihr Spaß.
Das Landesprojekt „EMSA – Eine (Musik)Schule für alle“
Der hier bewusst musikbezogen verdichtet skizzierte Ausschnitt eines Schultags einer weiterführenden Schule gibt Einblick in Idee und Zielsetzung des an der Hochschule für Musik und Tanz (HfMT) Köln verorteten Landesprojekts „EMSA - Eine (Musik)Schule für alle“. Der Name ist Programm und bedeutet Schulentwicklung mit dem Ziel kultureller Teilhabe für alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5 durch die enge Kooperation von Schule und Musikschule. Im Vordergrund steht dabei die Vision einer „klingenden Schule für alle“, fachlich und personell begleitet und von der Überzeugung getragen, dass musikalische Bildung von Schülerinnen und Schülern integrativ zu denken ist und immer wieder neu so geformt und aktualisiert werden muss, wie es an einem bestimmten Ort sinnvoll ist.
2015 auf Initiative des Landesverbands der Musikschulen NRW und der HfMT Köln als Projekt an drei Pilotschulen gestartet und seitdem durch die nordrhein-westfälischen Ministerien für Kultur und Wissenschaft sowie Schule und Bildung gefördert, weitet sich das Modell EMSA seit 2019 aus. Aktuell tragen 23 Musikschul-Schulkooperationen das Zertifikat „EMSA-Schule“. An diesen Standorten machen sich weiterführende Schule und kooperierende Musikschule im Tandem auf den Weg zu einer „(Musik)Schule für alle“, einem Lernort, an dem die musikalischen Bildungspfade für Kinder und Jugendliche ab dem Eintritt in die Sekundarstufe I bis in die Oberstufe hinein durch beide musikbezogenen Bildungsinstitutionen verbindlich konzipiert und umgesetzt werden – inhaltlich, organisatorisch und menschlich.
Die enge Zusammenarbeit bildet das Fundament
Mit dieser Idee eines auch inhaltlich-fachlich dichten Zusammenwirkens von Musikschule und Schule folgt EMSA einem Kooperationsverständnis, das über Formen des Austauschs und der Arbeitsteilung hinausgeht und die gemeinsame Arbeit an fachlichen Zielen in den Blick nimmt. Christine Stöger nennt als wesentliches Kennzeichen einer solchen kokonstruktiven Zusammenarbeit ihre besondere „Tiefendimension“ (Stöger, 2021, S.7), die die Voraussetzung erst dafür darstelle, dass Musikschule und Schule ihrem Auftrag, musikkulturelle Teilhabe zu ermöglichen, nicht durch additiv gedachte Vereinbarungen, sondern durch „eine bewusste und geteilte Konstruktion von Fachlichkeit“ (ebd.) in gemeinsamer Verantwortung nachkommen können. Wie aber können an einem solchen Lernort Angebote gestaltet werden? Welche Menschen, Räume und Strukturen verhelfen zur Ausbildung einer je individuellen musikalisch-künstlerischen Identität? Wie steht es hier um das Verhältnis von allgemeinbildendem Musikunterricht und instrumentalem Lernen?
Kooperation auf ganzer Linie
EMSA begegnet diesen Fragen auf zwei Ebenen, die in der nebenstehenden Grafik, dem „EMSA-Haus“, visualisiert werden: Auf strukturell-personeller Ebene nimmt EMSA die Bedeutsamkeit verlässlicher Strukturen in Kooperationsvorhaben ernst und stellt inhaltlich-fachlichen Prozessen unterschiedliche Kommunikations- und Teamformate zur Seite, die jeweils standortspezifisch gestaltet werden können. Zentraler Strukturpunkt dabei ist die Einrichtung einer EMSA-Musikkoordination (MuKo). Ein Lehrkräfte-Tandem aus Musikschule und Schule führt und gestaltet die Kooperation an ihrem jeweiligen Standort. In diesem durch beide Institutionen finanzierten Arbeitsfeld werden die aufkommenden Kooperationsbelange koordiniert, die Interessen aller an der Kooperation beteiligten Player vertreten, Teamstrukturen gesichert und Formatentwicklungen initiiert. Die einjährige Qualifikation für EMSA-Musikkoordinatorinnen und -koordinatoren am EMSA-Zentrum für Musikkooperation stellt die Grundlage für die Zertifizierung von EMSA-Schulen dar.
Auf inhaltlich-fachlicher Ebene manifestiert sich der EMSA-Kooperationsgedanke in Form unterschiedlicher Musiklern- und Musizierformate, den sogenannten EMSA-Bausteinen. Wesentlich ist, dass die Bausteine standortspezifisch entwickelt werden, von den Bedarfen der je individuellen (Musik-)Schulpraxis ausgehend und aus dem Blick beider musikpädagogischer Professionen auf der Basis aktueller Rahmungen, curricularer Standards und Innovationen. Sie reichen von Aktivitäten im informellen Zwischenraum des institutionellen Alltags (wie „ÜbePause“, „OpenStage“ oder „MusizierLounge“) über Rituale zur Rhythmisierung des Schultags (z.B. „VocalBreak“ oder „MotionBreak“), mit dem Musikunterricht verzahnte Formate für ganze Klassen (wie die Bausteine „Profilklasse reloaded“, „Ensemble Jederzeit“ oder das „WP-Fach Musik mit EMSA-Anbindung“) bis hin zu Möglichkeiten musikalischer Spezialisierung (wie die „EMSA-Pat:innenausbildung“). Einblicke in den stetig wachsenden Pool an EMSA-Bausteinen erhalten Interessierte über die EMSA-Webseite.
Vor allem Bausteine, die in dichter Anbindung an den grundständigen Musikunterricht stattfinden, werden aktuell nach und nach mit konkreten Beispielunterrichtsvorhaben flankiert. Intensivere Einblicke und eigene praktische Bausteinerfahrungen ermöglichen die landesweiten EMSA-Veranstaltungen, die allen Lehrkräften aus Schule und Musikschule offenstehen.
Autorinnen: Stephanie Buyken-Hölker und Ursula Schmidt-Laukamp (Hochschule für Musik und Tanz Köln)
EMSA-Zentrum
Ab sofort können sich Schulen und Musikschulen für die Qualifizierung zur EMSA-Musikkoordinatorin/ zum EMSA-Musikkoordinator im Schuljahr 2024/2025 bewerben unter: https://www.emsa-zentrum.de/wp-content/uploads/2023/10/WEB_Klappkarte-Qualifizierung_2023.pdf
Die Qualifizierung startet im September 2024, Bewerbungsschluss ist der 1. Juni 2024.
EMSA ist verortet an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und wird gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW und das Ministerium für Schule und Bildung des Landes NRW.
EMSA-Zentrum für Musikkooperation Köln
Stephanie Buyken-Hölker, Prof. Ursula Schmidt-Laukamp (EMSA-Leitung)
Prof. Dr. Christine Stöger (wissenschaftliche Begleitung)
Hochschule für Musik und Tanz Köln
Unter Krahnenbäumen 87
50668 Köln
Telefon: 0221 28380373
E-Mail: emsa[at]hfmt-koeln.de (emsa[at]hfmt-koeln[dot]de)
Weitere Informationen unter: www.emsa-zentrum.de
Zum Weiterlesen
- Buyken-Hölker, S. & Heß, C. (2022). Musikunterricht connected. Musizieren und Musiklernen in der Kooperation. (Unterrichts-)Formate mit Anschluss. In N. Ardila-Mantilla, S. Buyken-Hölker, U. Schmidt-Laukamp & C. Stöger (Hrsg.), EMSA – Eine (Musik)Schule für alle. Musikalische Bildungswege gemeinsam gehen (S. 133-156). Mainz: Schott.
- EMSA (2022). Qualitätskriterien EMSA. In N. Ardila-Mantilla, S. Buyken-Hölker, U. Schmidt-Laukamp & C. Stöger (Hrsg.), EMSA – Eine (Musik)Schule für alle. Musikalische Bildungswege gemeinsam gehen (S. 221-223). Mainz: Schott.
- Gräsel, C., Fußangel, K. & Pröbstel, C. (2006). Lehrkräfte zur Kooperation anregen – eine Aufgabe für Sisyphos? Zeitschrift für Pädagogik, 52(2), 205-219.
- Schmidt-Laukamp, U. (2019). Leinen los. Qualifizierung von MusikkoordinatorInnen im Modell ‚Eine (Musik)Schule für alle‘. Üben & Musizieren, (6), 16-18
- Stöger, C. (2021). Nicht zu fassen – Konstruktionen des Faches Musik. In M. Spychiger & K. Schilling-Sandvoss (Hrsg.), Musikalische Bildung – Didaktik – Lehrerinnen- und Lehrerbildung – Theorie. Festschrift für Werner Jank (S. 215-227). Innsbruck: Helbling.
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