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Gemeinsam für die Erinnerungskultur: Bildungspartnerschaften bereichern die historisch-politische Bildung

Eine Schülergruppe erkundet gemeinsam den Sennefriedhof in Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Gemeinsam für die Erinnerungskultur

Aktiv auf Spurensuche gehen und Geschichte vor Ort erfahren: Das Hugo-Junkers-Gymnasium und die Elly-Heuss-Knapp-Realschule führen eine gewinnbringende Bildungspartnerschaft mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

[Schule NRW 11-22]

Die Initiative "Bildungspartner NRW - Gedenkstätte und Schule" wurde im Jahr 2014 vom Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen gegründet, um die strategische Kooperation von Schulen und Gedenkstätten zu fördern. Denn Gedenkstätten und andere Erinnerungsorte bereichern die historisch-politische Bildung an Schulen und bieten vielfältige Möglichkeiten zur aktiven Teilhabe an der Geschichts- und Erinnerungskultur. Darüber hinaus kann die Reflexion über vergangenes Unrecht an authentischen Orten einen wichtigen Beitrag zur Demokratie- und Menschenrechtsbildung von Schülerinnen und Schülern leisten.

Im Rahmen dieser Initiative besteht die Möglichkeit, eine auf Dauer angelegte Bildungspartnerschaft mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. einzugehen. Der Volksbund bietet eine Reihe von Lernangeboten im Kontext der historisch-politischen Bildung und Friedenspädagogik an. Die Module werden individuell an die Bedürfnisse der jeweiligen Schule angepasst und mit bestehenden Lernformaten kombiniert, so dass ein passgenaues Angebot entsteht.

 

Die Bildungspartnerschaft mit dem Hugo-Junkers-Gymnasium in Mönchengladbach-Rheydt

Eine zentrale Aufgabe von Schulen ist es, die Kinder und Jugendlichen zu befähigen, sich aktiv für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen. Dabei ist die historisch-politische Bildung ein wesentliches Element neben dem klassischen Fachunterricht, um den Umgang mit der eigenen Geschichte oder der Geschichte des Landes, in dem man lebt, kennenzulernen und zu reflektieren. Gerade außerschulische Lernorte sowie Projekte können dabei von besonderer Bedeutung sein.

Im Sommer 2015 intensivierte das Hugo-Junkers-Gymnasium die langjährige Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Form der „Bildungspartnerschaft NRW – Gedenkstätte und Schule“. Als weiterer Partner und seit 2019 als eigenständiger „Bildungspartner NRW – Archiv und Schule“ begleitet das Stadtarchiv Mönchengladbach die Kooperation des ältesten Rheydter Gymnasiums zur Erinnerungsarbeit im Rahmen der historisch-politischen Bildung.

Der Ausbau und die Weiterentwicklung der bisherigen Zusammenarbeit war in der Kooperationsvereinbarung ein zentrales Anliegen. So wurde die jährliche Haus- und Straßensammlung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und das Engagement zum internationalen Aktionstag zur Ächtung von Kindersoldaten am 12. Februar, dem „Red Hand Day“, fest an die Jahrgangsstufe 8 gebunden. Der Aktionstag wird nun sowohl im Politik- als auch im Geschichtsunterricht strukturiert vorbereitet und gipfelt dann in der großen „Red Hand Day“-Aktion mit allen Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 8.

Zudem wurde ein Projektkurs Geschichte für die Qualifikationsphase 1 eingerichtet, der sich mit jährlich unterschiedlichen Schwerpunkten mit der Frage nach und dem Umgang mit Erinnerungskultur beschäftigt. Nach einer intensiven Beschäftigung mit dem Namensgeber Hugo Junkers standen weltgeschichtliche Ereignisse an konkreten regionalen Erinnerungsorten auf dem Plan des Projektkurses. In Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und dem Stadtarchiv entstanden neun Filme mit einem lokalen Filmstudio, die beispielsweise die Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg am Bezirkskommando Rheydt oder die nationalsozialistische Propaganda am Rheydter Rathaus untersuchten und Interessierten zugänglich machten.

Im jüngsten Projektkurs „Erinnern, Verantwortung und Frieden“ untersuchten die Jugendlichen die Kriegsgräberstätte auf dem Friedhof Preyerstraße in Mönchengladbach-Rheydt und erforschten Biographien der dort beigesetzten Zwangsarbeitskräfte. Hierfür recherchierten sie im Stadtarchiv Mönchengladbach und den Onlinearchiven Arolsen Archives sowie ODB-Memorial. Als Ergebnis dieser intensiven Arbeit wurde am 13. November eine Informationstafel auf der Kriegsgräberstätte des Friedhofs Preyerstraße eingeweiht.

Darüber hinaus ist eine jährliche Exkursion zu den Kriegsgräber- und Jugendbegegnungsstätten Ysselsteyn (Niederlande) oder Lommel (Belgien) ein fester Bestandteil der historisch-politischen Bildungsarbeit und der Kooperation. Nach Besichtigungen der Kriegsgräberstätten arbeiten die Schülerinnen und Schüler anhand von Quellen zu Einzelschicksalen der Beigesetzten und diskutieren, welche Bedeutung die Geschichte des Zweiten Weltkriegs noch heute hat.

 

Die Bildungspartnerschaft „Die Geschichten von Gütersloher Zwangsarbeitskräften in Bild und Wort“ mit der Elly-Heus-Knapp-Realschule in Gütersloh

Im ländlichen Ostwestfalen liegt Gütersloh. Die Stadt war im Jahr 1939 mit rund 33.000 Einwohnern die größte des damaligen Kreises Wiedenbrück und ein florierender Wirtschaftsstandort. Während des Zweiten Weltkrieges profitierten viele Gütersloher Firmen vom Einsatz der zivilen Zwangsarbeitskräfte und kriegsgefangenen Soldaten. Bis zu 3.800 Menschen, die im Ausland geboren und zwischen 1939 und 1945 zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppt wurden, waren in Gütersloher Unternehmen eingesetzt.

Für heutige Jugendliche ist es oftmals schwer nachzuvollziehen, dass nur wenige Spuren auf die Existenz und Lebenswege dieser 3.800 Menschen, die über zehn Prozent der städtischen Bevölkerung Güterslohs ausmachten, hindeuten. Wie haben sie gelebt? Wie sind die Anwohnerinnen und Anwohner Güterslohs mit ihnen umgegangen? Wo wurden sie eingesetzt? Sind ihre Nachfahren vielleicht noch in der Stadt? Diese Fragen stellen sich seit 2018 auch die Mitglieder der Geschichts-AG der Elly-Heuss-Knapp-Realschule Gütersloh. Einige Hinweise auf die Lebensumstände und Geschichten der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter sind auf dem katholischen Friedhof an der Bultmannstraße zu finden – dort stoßen aufmerksame Besucherinnen und Besucher auf 65 etwas abgelegen liegende Grabsteine, so genannte Kissensteine. Blumen und Grabkerzen deuten darauf hin, dass auch heute noch Menschen sich den dort Bestatteten verbunden fühlen.

Die Projektarbeit zu den Biographien der auf dieser Kriegsgräberstätte begrabenen Zwangsarbeitskräfte startete im Schuljahr 2018/2019 im Rahmen einer freiwilligen Geschichts-AG. Die Mitglieder der AG, die sich aus Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 9 und 10 zusammensetzt und sich wöchentlich trifft, erarbeiten die Regionalgeschichte der Stadt Gütersloh während der Zeit des Nationalsozialismus in einem selbstbestimmten Tempo und mit individueller Schwerpunktsetzung. Jede und jeder Lernende entscheidet sich im Verlauf des Schuljahres für die Biographie eines regionalen Opfers des NS-Regimes und erarbeitetet dessen Lebensweg mit Hilfe von historischen Quellen. Diese Lebenswege werden im Anschluss künstlerisch umgesetzt. Unterstützt werden sie dabei von der Lehrkraft und neben dem Volksbund noch von weiteren außerschulischen Partnern, die an unterschiedlichen Stellen im Projekt eingebunden werden. Durch Mitgestaltung des Volkstrauertags und einer Ausstellung ihrer Produkte im Stadtarchiv partizipieren die Mitglieder der AG aktiv an der regionalen Erinnerungskultur. Mit ihren Endprodukten wollen die Teilnehmenden der AG für die Wahrnehmung von Ausgrenzung, Zwangsarbeit und Menschenfeindlichkeit in der Stadt sensibilisieren, moderne Formen der Erinnerung schaffen und Räume öffnen, um über persönliche und familiäre Geschichten zu sprechen.

 

Bildungspartnerschaft sorgt für Win-Win-Situation

Schulen können durch eine Bildungspartnerschaft ihr Schulprofil schärfen - die Bedeutung von Erinnerungskultur als Gegenstand der historisch-politischen Bildung an der Schule wird akzentuiert. Ein gewichtiges Argument hierfür liefert die KMK-Empfehlung "Erinnern für die Zukunft" vom 11. Dezember 2014. Darüber hinaus erweitern Schulen ihr fachliches Know-how durch die Expertise der außerschulischen Partner, stärken die historisch-politische Kompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler und fördern die aktive Teilhabe an der Erinnerungskultur.

Auf der anderen Seite ergibt sich für den Volksbund die Möglichkeit, seine Lernangebote besser auf die Partnerschule zuzuschneiden und die pädagogische Arbeit auf Kriegsgräberstätten in Kooperation mit den Schulen und anderen Partnern weiterzuentwickeln. So können Kriegsgräberstätten zu vertrauten Lern- und Begegnungsorten für Kinder und Jugendliche werden. Die langfristig angelegte Projektarbeit unter dem Dach der Initiative "Bildungspartner NRW" schafft die Möglichkeit einer auf Kontinuität angelegten Kooperation zwischen Schule, Volksbund und weiteren lokalen Partnerorganisationen.

Sie haben Interesse am Lernangebot des Volksbundes oder einer Bildungspartnerschaft? Melden Sie sich gerne unter bildung-nrw@volksbund.

 

 

Autorinnen und Autoren: Vanessa Eisenhardt, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge; Katrin Geweke, Elly-Heuss-Knapp-Realschule Gütersloh; Hanna Hittmeyer, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge; Dominik Zuk, Hugo-Junkers-Gymnasium Mönchengladbach