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Individualisierung durch Blended-Learning – ein länderübergreifendes Enrichment-Angebot

Symbolisch für viele verschiedenen Themen des Programms Digitale Drehtür sieht man auf einem Laptopbildschirm einen Wal, eine Pflanze, ein Skelett, eine Mikrofon und Noten, einen DNA-Strang, einen Vogel, ein Windrad und eine Fotokamera.

Individualisierung durch Blended-Learning – ein länderübergreifendes Enrichment-Angebot

Wie kann man Schulen dabei unterstützen, das Potenzial aller Schülerinnen und Schüler zu entfalten? Darum geht es bei der Initiative „Digitale Drehtür“. Gründerin Michaela Rastede erzählt im Interview mit Schule NRW, warum sie die Initiative ins Leben gerufen hat und was die Ziele sind.

[Schule NRW 05-24]

Die Digitale Drehtür ist ein länderübergreifendes, unterrichtsergänzendes Bildungsangebot. Der Digitale Drehtür-Campus und sein Lernangebot in Form von Live-Kursen und Selbstlernkursen sowie Projekträumen zur Umsetzung eigener Ideen ermöglichen das selbstregulierte und interessengeleitete Lernen.

Seit Beginn des Jahres sind bei der Digitalen Drehtür über die Kooperationen, auch mit der Universität Münster sowie dem Landeskompetenzzentrum für individuelle Förderung (lif), weitere begabungsförderliche Kursformate entstanden und verschiedene Handreichungen erschienen. Schule NRW fragt dazu bei Michaela Rastede, Projektleiterin der Digitalen Drehtür und Leiterin der Vernetzungsstelle Begabungsförderung Bremen, nach: Was hat die Digitale Drehtür für Schulen zu bieten und wie funktioniert sie?

 

Portrait von Michaela Rastede, Leiterin des Programms Digitale Drehtür.

Schule NRW: Was hat Sie dazu veranlasst, die Digitale Drehtür ins Leben zu rufen, und welche Ziele verfolgt Ihre Bildungsinitiative?

Michaela Rastede: Entstanden ist diese Bildungsinitiative über eine vorteilhafte Mischung aus Erfahrung, einem starken länderübergreifenden Kooperationsnetzwerk und einem glücklichen Zufall: Kernelement meiner jahrelangen Tätigkeiten als Pädagogin, Lehrerin und Schulleitung war es, ein Gespür für Problemlagen im Schulbetrieb zu entwickeln und entsprechend einen Raum für die individuelle Potenzialentwicklung der Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Ich verfolge daher seit Langem die Visionen einer Schulentwicklung, die die Potenziale aller Schülerinnen und Schüler in den Blick nimmt. Dabei habe ich mich natürlich auch von großen Vordenkern wie Sir Ken Robinson und Joseph Renzulli inspirieren lassen. Ich habe die Bildungslandschaft hierbei als großes Netzwerk verstanden, dessen Möglichkeiten aber nicht immer voll ausgeschöpft werden. Als 2020 das Schulsystem dann von heute auf morgen durch den Lockdown neu aufgestellt werden musste, war es notwendig, eine zügige Umsetzung des Distanzunterrichts im digitalen Raum zu ermöglichen, der eine vielseitige und personenorientierte Bildung sicherstellte. Die größte Herausforderung war es, die technischen und organisatorischen Grundlagen dafür zu schaffen. Unser Ergebnis sehen Sie auf der Plattform, dem Digitale-Drehtür-Campus.

 

Welche Ziele verfolgen Sie und wie organisieren Sie die Zusammenarbeit?

Die Basis der Initiative ist die bereichernde Zusammenarbeit mit sieben weiteren Landeskoordinatorinnen und -koordinatoren aus dem Bund-Länder-Programm „Leistung macht Schule/LemaS“, bestehend aus Sandra Behrend aus dem Saarland, Petra Schreiber aus Schleswig-Holstein, Grit Brandt aus Sachsen-Anhalt, Jan Kwietniewski aus Hamburg, Monika Jost aus Rheinland-Pfalz, Michaela Casparé aus Berlin und Christian Baumelt aus Brandenburg. Gemeinsam entwickelten wir ein digitales Bildungsangebot, in dem Schülerinnen und Schüler interessengeleitet ihre Begabungen innerhalb und außerhalb des regulären Unterrichts entdecken können. 

Bremen als Impulsgeber für die Digitale Drehtür hat die Verantwortung für alle Länder übernommen, dieses Projekt zu koordinieren, und hat mich mit der Projektleitung beauftragt. All das, was heute aus der Initiative zur Digitalen Drehtür entstanden ist, wurde auch möglich durch die großzügige Förderung durch die Karg-Stiftung und der Dr. Ralf M. Schwiete Stiftung.

Innerhalb der letzten vier Jahre konnten wir für nunmehr 12.000 Schülerinnen und Schüler an inzwischen 1.000 Partnerschulen die Möglichkeit schaffen, unser breites Lernangebot zu nutzen. Besonders schön finde ich mitzuerleben, wie die Jugendlichen ihre Lernbegeisterung für ihr Thema zurück in den analogen Unterricht mitnehmen und viele Lehrkräfte von einer spürbaren Entlastung im Unterricht berichten. 

 

Wie funktioniert das im Unterricht: Findet in der Digitalen Drehtür ausschließlich eine Förderung besonders leistungsstarker Kinder statt, und wann haben Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte überhaupt Zeit dafür?

Wir bieten unsere unterschiedlichen Lernformate ausdrücklich für alle Lernenden an, da es uns darum geht, alle Talente und Begabungen zu fördern! Über unser breites Angebot der Förderung von individuellen Begabungen und Interessen können wir sowohl besonders begabten und leistungsstarken Schülerinnen und Schülern gerecht werden, wir können aber auch Lernenden, deren Potenziale im Regelunterricht nicht sichtbar geworden sind, eine Bühne bieten und ihnen passende Fördermöglichkeiten bereitstellen.

Wann und wie die Schülerinnen und Schüler unsere Angebote nutzen, muss in der Schule abgestimmt werden. Alle unsere Partnerschulen haben hierzu kostenfrei Zugang.

 

Wie funktioniert das konkret?

Die Digitale Drehtür bietet ein Füllhorn an Möglichkeiten zur Erweiterung des Schulunterrichts: Live-Kurse und Projekte, die für die Unterrichtszeit eingeplant werden, aber auch nachmittags stattfinden können; eine Vielzahl von Selbstlernprogrammen in den Werkstätten, die jederzeit zugänglich sind. Unsere Lernplattform ist sehr flexibel und kann den Interessen der Schülerinnen und Schüler und den Möglichkeiten unserer Partnerschulen entsprechend eingesetzt werden. Um die Lehrkräfte langfristig zu entlasten, stehen Infomaterialien, Laufzettel und mehr auf dem Digitalen-Drehtür-Campus zur Verfügung. Darüber hinaus werden sie von unserem Supportteam beraten und können anhand eines Dashboards die Beteiligung der Kinder beobachten. Einen Überblick über unsere spezifischen Lernangebote, sowie Hinweise und konkrete Anlagen zu den diversen Umsetzungsmöglichkeiten, bietet ebenfalls das kürzlich fertiggestellte Handbuch zur Digitalen Drehtür.

Durch das Zusammenkommen von Kindern und Jugendlichen teilweise aus unterschiedlichen Ländern oder Kulturräumen, mit unterschiedlichen Alters- und Leistungsstufen zu einem gemeinsamen Thema, erweitert sich die Lern- und Erfahrungswelt. Es entstehen wertvolle Beziehungen, Schlüsselqualifikationen und soziale Kompetenzen werden weiter ausgebaut. Die im Campus-Angebot erzielten Erfolge helfen dabei, Barrieren zu überwinden und sich fächerübergreifend mit spannenden, selbstgewählten Inhalten auseinanderzusetzen. Wir setzen uns für eine inklusive Lernumgebung und ein niedrigschwelliges Konzept des inspirierenden und eigenständigen Lernens an den Schulen ein.

 

Welche Vorteile hat die Digitale Drehtür zu bieten?

Ganz im Sinne des zentralen Leitgedankens im Schulgesetz von NRW (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SchulG) sind auch wir von der Bedeutung individualisierter Förderung überzeugt und erleben immer wieder, wie die Selbstwirksamkeitserfahrungen der Kinder ihre allgemeine Lernmotivation steigern. Dadurch, dass die Lernenden sich als Expertinnen und Experten für das eigene Lernen erleben können, lässt sich auch in den anschließenden Unterrichtserfahrungen beobachten, wie sie ihre in der Digitalen Drehtür erprobten Potenziale in verbesserte Leistungen auch in andere Lernbereiche des Regelunterrichts überführen können. Wir erhalten von den Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften stets positive Rückmeldungen, die den Nutzen der Digitalen Drehtür belegen. Immer wieder wird darauf hingewiesen, wie sehr sich die Schulen durch die Digitale Drehtür entlastet fühlen im Bereich der individuellen Bildung. Ebenso profitieren sie von dem kollegialen Austausch, den Best Practice-Beispielen und Erfahrungen. Auch hierfür bietet die Digitale Drehtür eine entsprechende Austausch- und Vernetzungsmöglichkeit im Lehrerzimmer auf dem Campus.

Die Angebote sind vielfältig, hochwertig und professionell. Dies verdanken wir den hochkarätigen beteiligten Akteurinnen und Akteuren der Bildungslandschaft ganz Deutschlands aus Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft. Sie kommen bei uns zusammen und konzipieren moderne, hochqualitative und gleichzeitig niedrigschwellige Lernangebote: Universitätsmitglieder erstellen Selbstlernprogramme, Masterstudierende unterstützen die Kinder und Jugendlichen bei der Gestaltung und Umsetzung von Projekten, und in unseren Live-Kursen und Werkstätten vermitteln Expertinnen und Experten verschiedenster Fachgebiete ihr Wissen aus langjähriger Berufserfahrung. Darüber hinaus sorgen Kooperationspartner wie die „KunstKooperation“, „Music in the Box“ oder das „KindSpace“ für eine abwechslungsreiche Auswahl. Zukunftsrelevante Themen wie „Robotik“, „Künstliche Intelligenz“ und „Chat-GPT“ oder auch die Europawahlen interessieren die Schülerinnen und Schüler gleichermaßen wie kreative Ausdrucksweisen und mental stärkende Achtsamkeitsübungen. Unsere Lernangebote werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern begleitet, die sich für die Sicherstellung und Ausweitung unserer Qualitätsstandards engagieren.

Dank des Supports all dieser Mitwirkenden, die mit Herz und Verstand für die Schul- und Unterrichtsentwicklung zusammenarbeiten, können wir die Interessen der Schülerinnen und Schüler zeitgemäß abdecken und gleichzeitig die Teilnahmemöglichkeiten kontinuierlich erweitern.

 

Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft Ihrer Initiative?

Unsere Vision ist es, die Digitale Drehtür fest in den Schulalltag möglichst vieler Schülerinnen und Schüler zu integrieren und die Schulen auf dem notwendigen Transformationsprozess und beim digitalen Wandel zu unterstützen. Gemeinsam wollen wir die Bildungsgerechtigkeit stärken, indem wir die Digitale Drehtür als starken Partner von Schulen etablieren. Gerade durch den aktuellen Lehrermangel sind Schulen darauf angewiesen, auch außerhalb des Schulgebäudes auf hochwertige, sie ergänzende Bildungsangebote zugreifen zu können. 

Mir fallen noch Tausende Felder ein, in denen sich Ansatzpunkte der Digitalen Drehtür im Schulkontext auftun: Mich beflügelt es, wenn ich sehe, wie Kinder und Jugendliche aus dem Saarland, Hessen und New York gemeinsam an einer Nachhaltigkeitsstrategie für ihre Schulen arbeiten und dabei feststellen, dass sie einen Beitrag leisten können, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Hierfür und für viele andere individuelle und kooperative Lernprozesse ist die digitale Drehtür ein passender und innovativer Lernort.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Rastede!

 

 

Das Interview führte Simone Schlepp, Ministerium für Schule und Bildung NRW.

Die Digitale Drehtür

Alle Schulen in NRW können sich bei der Digitalen Drehtür anmelden. Dafür werden online unter https://digitale-drehtuer.de/schulen/schulen-formular-ausfullen/ einige Schuldaten eingegeben. Danach wird die Schule in das System eingepflegt. Nach rund zwei Wochen erhält die Schule den individuellen Registrierungslink und weiteres Informationsmaterial.