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Nachgefragt - Der MSB-Podcast - KI in Schule

Nachgefragt - Der MSB-Podcast - Folge 1: Künstliche Intelligenz (KI) in Schule

Grafische Darstellung eines Mikrofons, daneben der Schriftzug "Nachgefragt - Der MSB Podcast"

Folge 1: KI in Schule - Nachgefragt - Podcast Folge 1 Im Gespräch: Dr. Tanja Reinlein, Abteilungsleiterin 3, Berufliche Bildung, Lehren und Lernen in der Digitalen Welt, Prävention und Integration, Internationales

Audio
14:11 Minuten
25. April 2024

KI ist momentan auch in den Schulen in Nordrhein-Westfalen ein großes Thema. Dr. Tanja Reinlein, Abteilungsleiterin 3 im Schulministerium, spricht über das Lehren und Lernen in der digitalen Welt, insbesondere über den sinnvollen Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Schule. 

Podcast Folge 1 „KI in Schule“ aufgezeichnet am 17. April 2024 im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen

Interviewer: Ralf Dolgner, Referatsleiter 126 Öffentlichkeitsarbeit, Amtsblatt

Interviewte: Dr. Tanja Reinlein, Abteilungsleiterin 3, Berufliche Bildung, Lehren und Lernen in der Digitalen Welt, Prävention und Integration, Internationales

Ralf Dolgner:

Herzlich willkommen zu „Nachgefragt“, dem Podcast aus dem Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Wir möchten hier mit diesem neuen Format in einiger Regelmäßigkeit über schulische Themen sprechen. Sprechen deshalb, weil es eben manchmal doch hilfreicher ist, die Bedeutung bestimmter Sachverhalte aus Erlassen, aus Schul- und Verwaltungsvorschriften, aus Lehrplänen oder Handreichungen verständlicher zu machen. Also sprechen wir heute mit der Abteilungsleiterin 3 hier im Schulministerium, Frau Dr. Reinlein, über das Lehren und Lernen in der digitalen Welt, speziell aber über das Nutzen und den Nutzen von KI, von künstlicher Intelligenz. Hallo Frau Dr. Reinlein. 

Dr. Tanja Reinlein:

Guten Tag Herr Dolgner, ich freue mich auf unser Gespräch.

Ralf Dolgner:

KI ist ja momentan in aller Munde auch in unseren Schulen ist das ein großes Thema. ChatGPT oder andere Text generierende Tools, da gibt's ja mittlerweile eine Vielzahl von Ablegern – in aller Kürze: Wie funktioniert das? Was ist das überhaupt? 

Dr. Tanja Reinlein:

Also, Sie haben ChatGPT erwähnt. ChatGPT ist ein Chatbot, der in verschiedenen Sprachen Fragen beantworten, Texte zusammenfassen oder auch bewerten, Gedichte und auch Computerprogramme schreiben kann. Und im Grunde ist das ein Programm, also ein Large-Language-Modell, so würden die Informatiker sagen, das darauf trainiert ist, mit bestimmten Texten, mit bestimmten Daten die wahrscheinlichste Antwort auf Fragen zu wiedergeben. Das heißt, im Grunde weiß diese Anwendung nicht was richtig ist, sondern es errechnet mit einer hohen Rechnerleistung, was als nächstes semantisch oder als nächste semantische Einheit ausgespuckt wird. Und je mehr man natürlich trainiert und je mehr Texte man hineingibt, desto valider werden diese Berechnungen und deshalb sind eben diese, ist dieser Chatbot, dieses ChatGPT so unfassbar wirkmächtig und man kann sich wirklich nur wundern, welche Antworten daraus generiert werden. 

Ralf Dolgner:

Ja, das ist ja ein tolles Tool für Schule! Wie können dann Lehrerinnen und Lehrer das sinnvoll nutzen? 

Dr. Tanja Reinlein:
Also, das ist ein tolles Tool für Schule. Aber man muss sich natürlich erstmal überlegen, warum es ein tolles Tool für Schule ist. Es ist ja nicht toll, weil auf einmal ein Bot genau berechnen kann, was die richtige Antwort ist. Das wäre ja ein bisschen kurz gesprungen. Das ist sowohl für die Lehrkräfte als auch für die Schüler ja nicht das, was in Schule bei Bildungsprozessen zählt. Sondern man muss sich überlegen: Was kann ich denn mit so einem wirkmächtigen Tool machen, damit es den Lernprozess der Schülerinnen Schüler in guter Art und Weise unterstützt? So! Und schlecht sind natürlich dann die Dinge, die man macht einfach zur Entlastung von Schülern, also dass sie nicht mehr selber denken, sondern dann stelle ich mal die Frage an den Chatbot und dann ist gut, dann bekomme ich die richtige Antwort und im „besten“ Fall habe ich dann noch die Möglichkeit, damit zu pfuschen und die Lehrerin oder der Lehrer merkt es nicht. Das kann es nicht sein!  Damit machen wir am Ende des Tages alles kaputt und die Schülerin oder der Schüler lernt überhaupt nichts.

Aber wir haben mit diesem Tool natürlich die Möglichkeit, das Lernen der Schüler zu unterstützen. Und was meine ich damit konkret? Ich kann mir ja einen Privatlehrer eigentlich an die Seite stellen und den Chatbot fragen, wenn ich bei bestimmten Prozessen, in dem wie ich meine Aufgabe bearbeite, nicht weiterweiß, kann ich durch kluge Prompts, so nennt man die Fragen, die man an solchen Bots stellt, eben mir Hilfestellungen holen. Und das muss man mit den Schülern trainieren, dass man im Grunde noch eine weitere Lehrkraft eine weitere Unterstützung eben neben sich stehen hat, die hier sehr individuell auf den eigenen Lernprozess schaut. Das ist auf jeden Fall, glaube ich, das große Versprechen auch der didaktischen Nutzung, dass wir das werden in Zukunft noch deutlicher herausarbeiten können. 

Ralf Dolgner: 
Können Sie ein, zwei Beispiele geben, wie ich das als Lehrkraft dann tatsächlich in meiner Arbeit einsetzen könnte? 

Dr. Tanja Reinlein:
Also, ich kann als Lehrkraft, wenn ich mich gut mit dem System auseinandergesetzt habe und mit den Schülern zum Beispiel im Deutschunterricht daran arbeite, eine bestimmte Textsorte gut vermitteln und die SchülerInnen anhalten, diese Texte mit den Kriterien, die dafür veranschlagt worden sind, zu schreiben, das eben trainiere. Wenn ich jetzt die Möglichkeit habe, bei 30 Schülern in der Klasse, den Chatbot zu fragen oder zu bitten, dass er auf der Grundlage der Kriterien, die vorher ja klar waren, eine Rückmeldung für den einzelnen Schüler gibt, habe ich als Lehrkraft nicht die Arbeit, dass ich 30 mal individuell genau diesen Text gelesen haben muss und vor allen Dingen kann man das eben in den Arbeitsprozess integrieren. Das heißt, ich lasse die Schüler etwas schreiben, der Text wird vom Chatbot bewertet, nicht im Sinne einer Note, sondern im Sinne eines Feedbacks, was formativ also den Arbeitsprozess begleitet. Und dann geht es weiter im Arbeitsprozess. Das heißt, ich kann mir diese Möglichkeiten heranziehen, um wirklich intensiv mit den Schülerinnen und Schülern an Aufgabenstellungen zu arbeiten. 

Ralf Dolgner:

Apropos Schülerinnen und Schüler. Wie können die das einsetzen? Worauf müssen die achten? 

Dr. Tanja Reinlein:
Also, die Schülerinnen und Schüler nutzen das ja sowieso, muss man sagen. Also, egal ob wir es jetzt klug als Lehrkräfte in den Schulen einsetzen oder nicht. Bei den Schülern ist es Gang und Gebe, dass sie da auch hinschauen. Aber wir sehen natürlich auch jetzt schon wieder: Schülerinnen und Schüler, die über eine hohe Medienkompetenz verfügen, die setzen diesen Chatbot ganz anders ein als die, die glauben, dass man damit einfach den Lehrer hinter die nächste Fichte führen kann. 

Ralf Dolgner:

Wie setzen die denn das ein? 

Dr. Tanja Reinlein:

Diejenigen, die meinen, damit kann man einfach schummeln, haben es einfach unterm Tisch und sagen, OK, das ist die Antwort auf die Frage, die der Lehrer gerade gefragt hat. In der Regel kommen die Lehrer aber natürlich dahinter, dass das einfach ein abgelesenes Wissen ist, was aber überhaupt keine Vernetzung ausgelöst hat. Den Lehrkräften und den Schulen empfehlen wir natürlich, dass sie andere Aufgaben stellen müssen, dass es größere Zusammenhänge gibt, die man eben nicht mal eben mit einer Frage an den Chatbot beantwortet haben kann, sondern dass man individuelle Bezüge, Bezüge zum Unterricht zu größeren Problemlagen hat, so dass es nicht wahrscheinlich ist, ganz schnell, die passende Antwort hat. Sondern, man müsste dann eben mit der KI arbeiten. Das wiederum empfehlen wir aber im hohen Maße. Denn es wird natürlich zukünftig auch sehr, sehr wichtig sein, dass wir in der Lage sind als Gesellschaft, und damit eben auch Schülerinnen und Schüler, die wir ja für künftige Situationen ausbilden, dass wir in der Lage sind, in eine versierte Co-Aktivität, so nennen es die Wissenschaftler, mit dieser Anwendung zu treten. Also, dass ich sie nicht als Ersatz für mein Wissen verstehe, sondern in der Lage bin, im Grunde im Zwiegespräch mit dieser Anwendung zu besseren Ergebnissen zu kommen in gegebenenfalls auch kürzerer Zeit. Und dafür muss ich verstehen, wie funktioniert das eigentlich? Damit muss ich aber auch genau verstehen: Was will ich eigentlich jetzt im Moment? Die Aufgabenstellung muss sehr passgenau sein und ich muss darüber verfügen können, ja über ein Repertoire verfügen können, was es ermöglicht, mit dieser Maschine zu diesen Ergebnissen zu kommen. 

Ralf Dolgner:
Wie können sich denn Lehrkräfte zu diesem Thema bilden? 

Dr. Tanja Reinlein:

Ja, also das ist natürlich eine essentielle Frage. Die Lehrkräfte haben natürlich auf der einen Seite auch Angebote erhalten über die Fortbildung. Wir sind damit gestartet, dass wir eben dort auch Dinge vorhalten. Wir haben sehr schnell den Handlungsleitfaden zu KI veröffentlicht, wo es erstmal eine grundsätzliche Orientierung gegeben hat und mit Hilfe der QUA-LiS haben wir auch Unterrichtsbeispiele an die Hand gegeben. Das heißt, wir haben so einen Grundstock, der erst einmal, denke ich, geholfen hat und der in den Schulen auch gut aufgenommen worden ist. Trotzdem sehen wir natürlich, dass vor allen Dingen bei der Art und Weise, wie sich das Feld Künstliche Intelligenz rasant weiterentwickelt, dass wir hier auch noch mehr investieren müssen, dass wir die Lehrkräfte noch mehr unterstützen müssen, das Basiswissen über KI auch wirklich zu erhalten. Und wir werden am Ende des Tages als Länder - und jetzt spreche ich mal ein bisschen so aus der Länderperspektive - gemeinsam auch etwas an die Hand geben müssen, was wirklich auch didaktisch sinnvoll eingesetzt werden kann, was sozusagen ein Chatbot ist, der trainiert worden ist auf diesen Bildungsbereich auf Schule und dort auf bestimmte Fächer.

Ralf Dolgner:
Stichwort KMK-Arbeitsgruppe - Wer hat da eigentlich den Hut auf und was ist da geplant? 

Dr. Tanja Reinlein:

Also, wir haben als Länder, glaube ich, alle sehr stark mitbekommen, dass das eine Anwendung oder eine Technologie ist, die sehr viel verändern wird. Und nachdem die erste Faszination über „Was kann das sein?“ und auch jedes Land eigentlich versucht hat, den Schulen schnell etwas zu geben, ist doch der Wunsch entstanden, dass wir uns als Länder eng abstimmen. In der KMK gibt es die digicom, das höchste Gremium, was die Entscheidung über die digitalisierungsbezogenen Prozesse eben vorbereitet. Dort ist eine Adhoc-AG KI gegründet worden mit allen 16 Ländern und in dieser Adhoc-AG KI werden im Moment Handlungsempfehlungen vorbereitet, die dann eben als Empfehlungen von den Ländern sehr ernst genommen werden. 

NRW darf dort im Moment den Vorsitz führen, darüber freuen wir uns sehr. Wir waren auch das erste Bundesland, das darf ich mit ein wenig Stolz sagen, dass einen Handlungsleitfaden veröffentlicht hat und von daher war das für die Länder auch sehr akzeptabel.

Ralf Dolgner:
Es gibt ja nicht nur den Handlungsleitfaden. Es gibt ja mittlerweile auch eine ganz wunderbare Webseite zum Thema digitales Lehren und Lernen.

Dr. Tanja Reinlein:
Ja, das stimmt. Also, wir haben versucht, für die Schulen auch die Materialien, die wir zur Verfügung stellen, nicht nur für KI, sondern für Lehren und Lernen in der digitalen Welt, Sie haben es gesagt, so aufzubereiten, dass sie es schnell finden können und zwar nach bestimmten Bedarfslagen. Also wenn ich auf bestimmte unterrichtliche Perspektiven einzahlen möchte, dann kann ich unter bestimmten Schlagwörtern das dann eben suchen. Also unter www.lernen-digital.nrw.de können Sie alles nachschauen, was wir in NRW den Schulen zur Verfügung stellen. 

Ralf Dolgner:
Immer, wenn es um das Digitale geht und um das Internet ist ja ein Aspekt auch sehr wichtig: Datenschutz. Was ist da der Stand der Dinge zurzeit und in Richtung, mit Blick auf KI?

Dr. Tanja Reinlein:

Ja, das stimmt. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI-Anwendungen im Unterricht sind natürlich verschiedene Aspekte zu beachten und vor allen Dingen der Datenschutz ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt. Im Moment haben wir den Schulen sagen müssen, dass es nicht empfehlenswert ist, dass die Nutzung von ChatGPT im Unterricht auf eigenen Geräten der Schülerinnen und Schüler stattfindet. Das hat einfach den Grund, dass diese Anwendung, also wenn man einen Zugang oder eine Lizenz von ChatGPT von OpenAI kauft, das klar ist, dass Daten erhoben werden, die wir nach dem Datenschutz eigentlich für schützenswert halten. 

Bei Lehrkräften ist das natürlich eine freiwillige Entscheidung, ob sie es machen. Das verbieten wir den Lehrkräften natürlich nicht, wir ermuntern sie sogar, dass wir ChatGPT gerne im Unterricht auch genutzt haben möchten. Aber Sie sehen schon an der Antwort - da fehlt eigentlich was und das ist eigentlich das, was die Länder sich ganz groß auf die Fahne geschrieben haben auf der KMK Ebene: Wir möchten den Schulen einen kostenfreien und datenschutzrechtlich unbedenklichen Zugang zu einem Large-Language Modell anbieten, sodass nicht jede Schule selbst sich auf den Weg machen muss. Es gibt Anwendungen, die bisher schon auch datenschutzrechtlich unbedenklich laufen. Wenn man da ein bisschen recherchiert, kommt man auf diese Player, für die ich jetzt nicht Werbung machen möchte, aber wo es dann eben für die Schulen auch möglich ist, datenschutzrechtlich unbedenklich das auch zu nutzen. 

Aber in Länderhoheit, wo wir auch sagen können, wir trainieren am Ende des Tages vielleicht auch mal einen Chatbot für ein bestimmtes Fach mit bestimmten Bedarfen für unsere Schulen - das wäre toll und da werden wir sehr viel Arbeit hineinstecken.

Ralf Dolgner:

Also, meine letzte Frage ist eigentlich: Ist denn KI nun eher Fluch oder ein Segen? Ich lasse das mit dem Fluch mal weg, oder? 

Dr. Tanja Reinlein:
Das können Sie weglassen. Ich glaube aber auch, dass man eine solche Frage kaum beantworten kann, weil es sehr, sehr stark davon abhängen wird, welche Perspektive man einnimmt. Ich glaube, es ist ein Segen dafür, dass wir bestimmte Dinge automatisieren können, dass wir einige Dinge schneller auswerten können, dass wir uns stärker begleiten lassen können, dass wir vielleicht nicht alles selber machen müssen. Aber wir werden es weiter verstanden haben müssen, was am Ende des Tages das Produkt sein soll und wir werden über die Fertigkeiten auch weiter selber verfügen müssen. Also von daher, wenn wir uns selbst im Weg stehen und nicht lernen mit dieser Technologie vernünftig und gut im Sinne von Bildungsprozessen zu arbeiten, dann wäre es am Ende des Tages ein Fluch, aber ich bin ganz guter Dinge, dass wir es schaffen werden, da sehr positiv mit umzugehen. 

Ralf Dolgner:

Und genau deshalb arbeiten Sie in der Abteilung 3 an diesem Thema. Und Nordrhein-Westfalens Schulen, glaube ich, für die wird es alsbald hoffentlich ein Segen sein, mit KI zu arbeiten. Frau Dr. Reinlein, besten Dank für das Gespräch.

Dr. Tanja Reinlein:
Ich bedanke mich bei Ihnen für das interessante Gespräch und die Gelegenheit es darzulegen. 

Ralf Dolgner:

Und alsbald kommt eine neue Folge des Podcasts „Nachgefragt“. Einfach hier mal wieder reinhören.