SABRA: Für die Wahrnehmung der jüdischen Perspektive
Antisemitismus ist keine Meinung. Antisemitismus ist nicht nur eine weitere Form von Diskriminierung, nicht einfach ein anderes Vorurteil. Antisemitismus ist eine menschenverachtende Haltung. SABRA stellt sich dem entgegen.
[Schule NRW Extra-Ausgabe, Juli 2021]
Die antisemitischen Parolen bei Demonstrationen und die gewalttätigen Angriffe auf Synagogen in der letzten Zeit haben wieder einmal schmerzlich vor Augen geführt, wie gefährlich und gewalttätig diese Haltung ist.
Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und gerade deswegen eine Herausforderung, der sich Schulen stellen müssen. Schulen müssen auch darauf reagieren, dass Antisemitismus an aktuelle Entwicklungen andockt: Die antisemitischen Reaktionen auf die Corona-Pandemie und den Israel-Palästina-Konflikt verdeutlichen dies eindringlich.
SABRA (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit, Beratung bei Rassismus und Antisemitismus) wurde 2017 gegründet und engagiert sich seitdem gegen Antisemitismus. SABRA (hebräisch für “Kaktus”) ist eine zivilgesellschaftliche Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und wird auch vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) gefördert. SABRA sensibilisiert für die jüdische Perspektive auf den Antisemitismus und hat die Aufgabenfelder Beratung, Prävention sowie Netzwerk- und Gremienarbeit. Sie ist in zahlreichen Arbeitskreisen und Gremien vertreten und arbeitet mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) zusammen. SABRA setzt sich für die Einrichtung einer Meldestelle für antisemitische Vorfälle in NRW ein.
In Kooperation mit der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und dem Bildungsverein „bagrut e.V.“ hat SABRA die Studie „Antisemitismus in NRW - Wahrnehmungen und Erfahrungen jüdischer Menschen“ im Auftrag der Antisemitismusbeauftragten des Landes NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, durchgeführt. Die Ergebnisse haben verdeutlicht, dass Antisemitismus auch im schulischen Kontext ein Problem ist. Drei Viertel der Befragten berichten von Vorfällen, die aus dem gesamten schulischen Umfeld kommen: von Mitschülerinnen und Mitschülern, deren Eltern oder auch Lehrkräften. Gleichzeitig legen Anfragen an die Schulabteilungen bei den Bezirksregierungen nahe, dass dort bislang nur punktuell Vorfälle bekannt geworden sind und bisher noch keine systematische Erfassung erfolgt. Das kann mit der geplanten Meldestelle für antisemitische Vorfälle zukünftig verbessert werden.
Das Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen hat zum 1. August 2020 die beiden Lehrkräfte Florian Beer und Jürko Ufert als pädagogische Mitarbeiter zu SABRA abgeordnet und unterstützt SABRA darüber hinaus mit Sachmitteln.
Die beiden Lehrkräfte beraten unter anderem das Ministerium für Schule und Bildung und die anderen Schulaufsichtsbehörden bei der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen gegen Antisemitismus. Sie sind Ansprechpartner für Schulen, Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler und führen Tagungen sowie Workshops zur Prävention von bzw. Intervention bei Antisemitismus durch.
Dabei sensibilisieren sie vor allem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren auf allen Ebenen des schulischen Bereichs für die Wahrnehmung von und das entschiedene Auftreten gegen Antisemitismus: Wenn „Du Jude“ als Schimpfwort gebraucht wird, jüdische Schülerinnen und Schüler so stark von Anfeindungen betroffen sind, dass sie lieber die Schule wechseln als antisemitische Vorfälle zu melden, dann sind alle im Bereich Schule Tätigen aufgefordert, zu intervenieren, sich zu positionieren und präventiv tätig zu werden. Dabei ist zu beachten, dass Antisemitismus nicht nur im rechtsradikalen Milieu zu verorten ist. Antisemitische Anfeindungen entstammen allen gesellschaftlichen Bereichen. Besonders virulent sind Formen des sekundären und israelbezogenen Antisemitismus. Studien belegen, dass er auch vor Lehrkräften nicht Halt macht. Beim Kampf gegen Antisemitismus an Schulen kann man sich nicht auf Schülerinnen und Schüler oder nur auf bestimmte Gruppen unter ihnen fokussieren, sondern muss das gesamte System mit allen Akteurinnen und Akteuren einbeziehen.
Auch mit der virtuellen Bildungsplattform MALMAD verstärkt SABRA die Sensibilisierung für Antisemitismus im pädagogischen Bereich: Auf diese Weise werden schulische und außerschulische Pädagoginnen und Pädagogen methodisch in ihrer antisemitismuskritischen Bildungsarbeit unterstützt. MALMAD stellt für diesen Zweck Hintergrundinformationen zu den Bereichen Judentum, Israel, Antisemitismus sowie Demokratie und Menschenrechte zur Verfügung und bietet zahlreiche gesammelte und eigens entwickelte Methoden auch für den schulischen Alltag an. Teil des Methodenkoffers sind außerdem Verweise auf mögliche Exkursionsorte und weitere Bildungspartnerinnen in NRW. Der Name MALMAD leitet sich aus dem Hebräischen her und bedeutet sinngemäß Stachel, als Verweis auf den Kaktus im SABRA-Logo. Für die Nutzung von MALMAD ist lediglich eine Anmeldung erforderlich. Das Angebot ist kostenfrei.
2021 ist ein Festjahr für die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland. SABRA setzt sich im Rahmen von „321 - 2021: 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland” für die verstärkte Wahrnehmung der jüdischen Perspektive ein: Jüdinnen und Juden sollten nicht allein als Betroffene von Antisemitismus oder Opfer der Shoah wahrgenommen werden, sondern viel mehr in der individuellen Vielfalt ihrer Traditionen und ihres gegenwärtigen Alltags. Außerdem bietet das Jubiläumsjahr die Chance, auf die tiefe Verwurzelung des Judentums in der Geschichte und Kultur Deutschlands hinzuweisen. Es bietet die Möglichkeit mehr Wissen über die jüdische Geschichte und Traditionen zu vermitteln und auch das aktuelle jüdische Leben in Deutschland darzustellen. So kann es auch gelingen, Vorurteile gegen Jüdinnen und Juden abzubauen: Es wäre wünschenswert, dass dieses Jubiläum ein friedlich(er)es Zusammenleben in unserer Gesellschaft ermöglichen und zum Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus ermutigen würde. Mit diesem Ziel produziert SABRA im Rahmen des Festjahres derzeit einen Film, in dem 16 jüdische Menschen aus NRW miteinander über ihr Leben und ihren Glauben sprechen.
Wie kann Antisemitismus in der Schule bekämpft werden? Die Studie „Antisemitismus in NRW” hat die Diskrepanz zwischen den Berichten der Betroffenen aus dem schulischen Kontext und den tatsächlich gemeldeten und erfassten antisemitischen Vorfällen verdeutlicht. Sie hat aber auch die Notwendigkeit einer umfassenden Strategie mit entsprechenden Konzepten zur Sensibilisierung für und zur Bekämpfung von Antisemitismus im gesamten Schulbereich und zum Schutz jüdischer Schülerinnen und Schüler aufgezeigt. Hierfür bedarf es der Implementierung von verlässlichen Meldesystemen, welche die Dunkelziffer antisemitischer Vorfälle sichtbar machen können und deutliche und zielgerichtete Reaktionen ermöglichen. Auch im Rahmen der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften sollte das Thema Umgang mit Antisemitismus an Schulen ein fester Bestandteil werden. Antisemitismus wird teilweise immer noch in Unterrichtsmaterialien reproduziert, deshalb ist eine stärkere Kontrolle nötig. Mit der laufenden Prüfung von Schulbüchern hat NRW hier einen wichtigen Schritt getan. Insgesamt müsste antisemitismuskritischer Bildungsarbeit mehr Zeit eingeräumt werden. Sie sollte als Querschnittsaufgabe aller Fächer verstanden und nicht allein der historisch-politischen Bildung zugewiesen werden. Antisemitische Einstellungen dürfen auch nicht aus einem falsch verstandenen Gebot der Multiperspektivität heraus toleriert werden. Klar sein muss: Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Diese zu schützen ist jedoch nicht nur Aufgabe aller Lehrkräfte, sondern ein Auftrag an die Gesamtgesellschaft.
Kontakt:
SABRA
Paul-Spiegel-Platz 1
40476 Düsseldorf
Telefon: 0211 94195988
E-Mail: sabra [at] jgdus.de (sabra[at]jgdus[dot]de)
Webseite: www.sabra-jgd.de
Text: Jürko Ufert, Florian Beer, SABRA
Zum Weiterlesen
Schulmail “Antisemitismus” des Ministeriums für Schule und Bildung NRW vom 08.05.2018: https://www.schulministerium.nrw/ministerium/schulverwaltung/schulmail-archiv/archiv-2018/08052018-antisemitismus
Studie „Antisemitismus in NRW -Wahrnehmungen und Erfahrungen jüdischer Menschen“https://www.land.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-09-07_rias-bund_sabra_problembeschreibung-antisemitismus-in-nrw.pdf
Düsseldorfer Handreichung “Was tun bei Antisemitismus an Schulen?”: https://www.duesseldorf.de/fileadmin/Amt13/presseanhang/1907/190703-Handreichung1.pdf
Studie “Antisemitismus an Schulen in Deutschland”:
https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/328689/antisemitismus-an-schulen-in-deutschland
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