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Schulversuche im MINT-Bereich

Drei Schülerinnen und Schüler arbeiten in einer Robotikwerkstatt.

Fit für den MINT-Bereich

Auf den Fachkräftemangel reagieren die Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen dynamisch: Die Schulversuche Berufsfachschule für Ingenieurtechnik und Fachoberschule für Informatik belegen das.

[Schule NRW 04-24]

In den vollzeitschulischen Bildungsgängen der Berufskollegs kann Nordrhein-Westfalen unmittelbar auf landespolitische oder auch regionale Anforderungen oder Bedürfnisse reagieren und neue Angebote selbstständig einführen. Auf dieser Basis können neue Bildungsgänge zunächst an einer begrenzten Zahl von Standorten erprobt werden. Sind die neuen Bildungsgänge erfolgreich, sind also die Jugendlichen und Lehrkräfte zufrieden, führen die neuen Angebote fachlich gesehen zu nachgefragten berufsrelevanten Qualifikationen. Bei hoher Nachfrage können sie zu Regelangeboten werden.

Der Fachkräftemangel im MINT-Bereich wurde in den vergangenen Jahren immer deutlicher. Wie können die Angebote der Berufskollegs so ausgerichtet werden, dass sie die Potenziale der Jugendlichen im Bereich von Technik und Informatik bestmöglich erschließen? Sie sollen Jugendliche in innovativer Form auf eine qualifizierte Ausbildung oder ein Studium in diesem Bereich vorbereiten. Die „Blaupause“ für einen im Jahr 2019 begonnenen und nun fachlich abgeschlossenen Schulversuch im Bereich Ingenieurtechnik war das Berufliche Gymnasium, das ein vergleichbares Angebot in den „Ingenieurwissenschaften“ mit dem Abschlussziel Abitur bereits zuvor erprobt hatte und nun ebenfalls ein erfolgreiches Regelangebot ist. Ergänzend zu den besonders praxisnahen Bildungsgängen der Fachoberschule wurde zudem durch einen 2019 vom Landtag beschlossenen Schulversuch seit 2020 ein neues Angebot im Bereich der Informatik erprobt. 

Beide Schulversuche sind in ihrer fachlichen Erprobung ausgelaufen. Die Bilanz fällt positiv aus. 

 

Berufsfachschule für Ingenieurtechnik

Während des gesamten Versuchszeitraums wurden zahlreiche Evaluationsmaßnahmen durchgeführt, um den Schulversuch zu steuern, die Qualität und Akzeptanz des Bildungsgangs zu erfassen, gegebenenfalls zeitnah Korrekturmaßnahmen einzuleiten und das Erreichen der Schulversuchsziele zu monitoren. Regelmäßige Sitzungen der Steuergruppe und der AG Ingenieurtechnik stellten sicher, dass hierzu erforderliche Entscheidungen schnell und effizient getroffen und umgesetzt wurden. Ergebnisse und Maßnahmen wurden in Landesfachkonferenzen rückgekoppelt.

Zur Sicherung einheitlicher Standards der Fachhochschulreifeprüfung im neuen Fach Ingenieurtechnik wurde für den Zeitraum des Schulversuchs ein landesweiter Vorprüfungsausschuss gebildet. 

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die den Bildungsgang beginnen, ist seit dem Schuljahr 2019/20 bis heute annähernd konstant, was für eine solide Basis an den Versuchsstandorten spricht. Im Durchschnitt wechseln rund 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach Klasse 11 in Klasse 12. Dieser Wert korrespondiert mit anderen Bildungsgängen des Fachbereichs. Ein Teil der Jugendlichen wechselt vorzeitig in eine duale Ausbildung, nachdem bereits in Klasse 11 im Rahmen der schulischen Betriebspraktika Kontakte geknüpft wurden, die in Ausbildungsverhältnissen münden. Der Übergang in die Klasse 13, um den Berufsabschluss einer technischen Assistentin bzw. eines technischen Assistenten zu erwerben, wird von den Schülerinnen und Schüler kaum nachgefragt.

Zusammenfassend lassen sich auf Grundlage der Evaluationsergebnisse Handlungsempfehlungen aussprechen: Die Zielsetzung des Schulversuchs, das Interesse von Schülerinnen und Schülern an der Lösung von technischen Problemen zu wecken und sie für einen Beruf oder ein Studium im Bereich Technik oder Ingenieurwissenschaften zu interessieren, wurde erreicht. Der Schulversuch kann über die unterschiedlichen Evaluationsstränge nachweisen, dass er eine gute Grundlage für eine duale Ausbildung oder ein Fachhochschulstudium bietet. Er leistet damit eine wesentliche Rolle zur Fachkräftesicherung im MINT-Bereich. Die BFS Ingenieurtechnik sichert außerdem strukturell ein Angebot von technischen Bildungsgängen in demografisch schwachen Regionen. Daraus resultiert die erste Handlungsempfehlung: Die Berufsfachschule für Ingenieurtechnik sollte in das Regelsystem übertragen werden. 

Als weniger erfolgreich erwies sich die gestufte Konstruktion des Bildungsgangs im Hinblick auf die zweite Stufe, den Assistentinnen- bzw. Assistentenbildungsgang. Im Laufe des Schulversuchs hat sich gezeigt, dass es kaum Nachfrage für das dritte Ausbildungsjahr gibt, in dem der Assistentenabschluss erworben wird. Fast alle Jugendlichen gehen bereits nach dem zweiten Jahr mit dem schulischen Teil der FHR sowie beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich Ingenieurtechnik ab. Oft ist es sinnvoller, wenn bereits nach zwei Jahren der Übergang in eine duale Ausbildung oder das Studium erfolgt, wie es sich in der Evaluation des Schulversuchs gezeigt hat. Insofern lautet die zweite Handlungsempfehlung, den Bildungsgang abweichend von den Bedingungen des Schulversuchs als zweijährigen Berufsfachschul-Bildungsgang zu etablieren. 

Weiterhin wird als dritte Handlungsempfehlung vorgeschlagen, eine möglichst zeitnahe Übernahme in das Regelsystem vorzunehmen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die BFS Ingenieurtechnik fachlich einen sinnvollen Platz in der Angebotsstruktur der Anlage C findet. Sie bereitet interdisziplinär auf ingenieurtechnische Tätigkeiten vor und ist zugleich als Bündelungsangebot auch unter dem Aspekt knapper Lehrkräfteressourcen in technischen Fachrichtungen vorteilhaft. 

 

Fachoberschule für Informatik

Der Bildungsgang „Fachoberschule für Informatik“ ist stark nachgefragt. Schülerinnen und Schüler schätzen die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erlangen, und während der zweijährigen Qualifikation den fachlichen Fokus auf den Bereich IT zu legen. Besonders positiv beurteilen die Absolventinnen und Absolventen den hohen Praxisanteil während des ersten Jahres.

Eine Zielsetzung dieses Schulversuches bestand darin, mehr Jugendlichen als bisher eine gute Übergangsmöglichkeit in eine betriebliche Ausbildung und ein Studium im IT-Bereich zu verschaffen. Dieses Ziel ist insgesamt erreicht worden.

Gerade die Struktur der Fachoberschule mit dem Jahrespraktikum erwies sich als besonders gut geeignet, um den Übergang in die betriebliche Ausbildung oder das Studium zu ermöglichen. Zahlreiche Jugendliche knüpfen durch das verbindlich vorgesehene Praktikumsjahr in der Jahrgangsstufe 11 enge Kontakte zu regional ansässigen IT-Unternehmen. Durch die Übernahme wesentlicher Berufsbildpositionen aus der dualen IT-Ausbildung ist sogar die Anrechnung als erstes Ausbildungsjahr möglich und damit ein idealer Übergang realisierbar.

Aufgrund der erfolgreichen Ergebnisse wird der Schulversuch FOS Informatik zum Schuljahr 2024/25 ins Regelsystem aufgenommen. Die an dem Schulversuch beteiligten Schulen können in der Übergangsphase bis zur geplanten Einführung eines dauerhaften Regelangebots im Schuljahr 2025/26 ihre Bildungsangebote fortführen. Anträge auf die Neuerrichtung der genannten Bildungsgänge durch die Schulträger sind im Rahmen des üblichen Verfahrens möglich.

Mit dem Schulversuch ist es gleichzeitig gelungen, bei aktuell im MINT-Bereich immer noch insgesamt eher stagnierenden oder teilweise sogar zurückgehenden Schülerinnen- und Schülerzahlen in den Bildungsgängen der Anlage C für eine Stabilisierung des Informatikangebots an den Berufskollegs zu sorgen. Zugleich wurde ein Angebot geschaffen, das in nur zwei Jahren zu einem Abschluss führt, der passgenau auf die nächste Entwicklungsstufe der Jugendlichen ausgerichtet ist. 

Angesichts der Qualität des Angebots wurde der Bildungsgang frühzeitig in das Regelsystem der Berufskollegs übertragen und der Fachbereich bzw. neue Bildungsgang dauerhaft in der APO-BK verankert.
(Rahmenvereinbarung über die Fachoberschule (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004 i. d. F. vom 28.09.2023))

 

Insgesamt haben die beiden Schulversuche gezeigt, dass man mit innovativen Pilotprojekten sowohl Jugendliche für den am Arbeitsmarkt stark nachgefragten MINT-Bereich gewinnen als auch den Übergang von schulischen Bildungsgängen in Ausbildung oder Studium zielgerichtet vorbereiten kann.

 

 

Autorenteam: Beate Osburg und Dr. Andreas Künkler, Ministerium für Schule und Bildung NRW