Impulse für den Unterricht
Unterrichtsbeispiele
Anknüpfungspunkte zum Thema jüdisches Leben und Antisemitismus gibt es in allen Unterrichtsfächern. Einzelne Fächer werden exemplarisch vorgestellt:
Im Rahmen der Literaturanalyse sollte im Fach Deutsch bei den obligatorischen Werken geprüft werden, ob jüdische Figuren auftauchen und wie sie dargestellt werden. Antisemitische Anspielungen, Aussagen und Stereotype, etwa dass die jüdische Figur als hinterlistig oder gierig dargestellt wird, sollten als solche herausgearbeitet und im Deutungsprozess kritisch reflektiert werden. Ein Ignorieren kann zu einer Bestätigung dieser Stereotype durch den schulischen Unterricht führen.
Wenn Werke mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus gelesen werden, ist eine historische Einordnung der Ereignisse zwingend erforderlich, um die Zusammenhänge verstehen zu können. Allgemein sollte im Zusammenhang mit antisemitischer Rhetorik immer analysiert werden, wie Sprache genutzt wird, um Hass und Vorurteile zu verbreiten.
Im Biologieunterricht kann u.a. im Kontext der Evolutionstheorie auch über den Missbrauch der Thesen Darwins gesprochen werden. Dabei kann auf die Gefahren und Folgen von pseudowissenschaftlichen Rechtfertigungen eingegangen werden, die in diesem Fall die Minderwertigkeit einzelner sogenannter „menschlicher Rassen“ begründen und deren Vernichtung rechtfertigen sollte. In ähnlicher Weise könnten zum Thema Genetik die Folgen der Eugenik des Nationalsozialismus für die ethische Frage nach dem Wert von Leben thematisiert werden. In allen Naturwissenschaften ist zudem immer möglich über jüdische Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler zu sprechen, deren Leistungen hervorzuheben und auf die – zum Teil tragischen – Geschichten hinzuweisen.
In Evangelischer und Katholischer Religionslehre stellen die „Begegnung mit dem Judentum“ (Ev. Rl., Richtlinien und Lehrpläne S. 151) bzw. die „religiöse Praxis anderer Religionen, vor allem des Judentums“ (Kath. Rl., Richtlinien und Lehrpläne S. 170) Schwerpunkte dar. Es ist empfehlenswert, in diesem Kontext neben religiösen Aspekten auch auf das jüdische Leben und die Kultur zu verweisen, um ein umfassendes Bild zu ermöglichen und eine Reduzierung auf ein Merkmal des Judentums zu vermeiden.
Allgemein gilt, dass selbstverständlich interdisziplinäre Projekte verschiedener Fächer, interreligiöse Begegnungen sowie Exkursionen eine wichtige Perspektiverweiterung für die Kinder und Jugendlichen ermöglichen.
Fragen & Antworten
Folgende Fragen helfen zur Unterrichtsplanung und langfristigen Unterrichtsentwicklung:
- Findet im Unterricht eine grundständige Beachtung des Beutelsbacher Konsenses (Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot, Lernendenorientierung) statt? (vgl. https://www.qua-lis.nrw.de/aufgaben/paedagogische-ansaetze-und-konzepte/neutralitaet-und-unparteilichkeit-der-schule/der)
- Sind Lehrkräfte dafür sensibilisiert, wo sich Anknüpfungspunkte für die unterrichtliche Behandlung von Judentum und Antisemitismus finden?
- Wird vermieden, die jüdische Geschichte auf die Geschichte des Antisemitismus zu reduzieren?
- Wird antisemitismuskritische Bildung als Querschnittsaufgabe aller Fächer verstanden?
- Wird einer Historisierung des Antisemitismus entgegengewirkt?
- Ist der Unterricht geeignet, eine antisemitismuskritische Haltung zu fördern?
- Sind Lehrkräfte für die Fallstricke der Thematisierung von Antisemitismus und Judentum (z.B. Othering) sensibilisiert?
- Wird darauf geachtet, dass Jüdinnen und Juden nicht durch die Art und Weise der Thematisierung im Unterricht als "fremd/anders" und insofern als "eigentlich nicht dazugehörig" erscheinen? (=Othering)
- Wird im Unterricht sensibel darauf geachtet, dass keine antisemitischen Stereotype tradiert werden?
- Sind Lehrkräfte dafür sensibilisiert, dass Unterricht über Antisemitismus Abwehrhaltungen erzeugen kann?
- Wird Unterrichtsmaterial kritisch geprüft?
- Werden die Perspektiven und Bedürfnisse jüdischer Schülerinnen und Schüler geachtet?
- Besteht ein Bewusstsein für die Existenz intergenerationeller Traumaweitergabe?
- Wird jeder Form von Antisemitismus im Unterricht entschieden entgegengetreten?
- Wird eine Transparenz gegenüber den jüdischen Erziehungsberechtigten und Kindern/Jugendlichen hergestellt, wann welche thematischen Aspekte des Judentums besprochen werden (z.B. über ein Infoschreiben und/oder eine deutliche Verankerung im Schulprogramm)?
Vertiefende InformationenTransgenerationale Traumatisierung bedeutet beim Thema Antisemitismus, dass durch die Erfahrungen der Schoah ausgelöste Traumata intergenerationell vererbt werden können, sodass es bei jüdischen Schülerinnen und Schüler unter anderem zu (Re-)Traumatisierungen kommen kann, wenn sie im Unterricht mit den NS-Verbrechen konfrontiert werden. Einen guten Überblick zu dieser Thematik bietet der online verfügbare Sachstandsbericht “Transgenerationale Traumatisierung” der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Dort sind auch Organisationen mit Fokus auf die Betroffenen transgenerationaler Traumatisierung verzeichnet (Vgl. auch Fehlberg et. al. 2016). |
- Zur Unterstützung der Lehrkräfte bei ihrer unterrichtlichen Arbeit finden sich Unterrichtsmaterialien hier im Bildungsportal.
- Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Kultusministerkonferenz haben eine Internetseite mit didaktisch aufbereiteten Materialien zu einzelnen Themenbereichen zusammengestellt.
- Ausgesuchte Bildungsmedien mit redaktionell geprüften Links sowie Lernmaterialien finden Sie bei der Bildungsmediathek NRW.
- Im didaktisch aufbereiteten digitalen Lernangebot „Jüdisches Leben in rheinischen Archiven" auf der Kooperationsplattform BipaLab.NRW sind originale historische Quellen aus früherer Zeit zu finden. Schülerinnen und Schüler können hier Geschichte/n entdecken und erforschen (Urkunden, Fotos, Briefe, Zeitungen u.v.m.).
- In fast jeder Kommune gibt es ein eigenes Archiv. Dort können Schülerinnen und Schüler viel über jüdisches Leben lernen.
- Die EU-Initiative „klicksafe“ hat zum Ziel, die Online-Kompetenz der Menschen zu fördern und sie mit vielfältigen Angeboten beim kompetenten und kritischen Umgang mit dem Internet zu unterstützen. Informationen und Angebote zu einer sicheren, kompetenten und selbstbestimmten Internetnutzung werden hier gebündelt dargestellt.
Gerade beim Thema Nahostkonflikt ist es wichtig, sich die komplexe historisch-politische Struktur bewusst zu machen, die zu Herausforderungen führt. Antiisraelische Vorbehalte entstehen oft vor dem Hintergrund einer Unkenntnis über diese Struktur des Konflikts. Daher müssen die verwendeten didaktischen Materialien faktengestütztes Wissen und Informationen zur Motivation der verschiedenen beteiligten Akteurinnen und Akteure vermitteln. Wichtig ist, dass gerade bei diesem Thema keine falschen, verzerrten oder einseitigen Geschichtsnarrative reproduziert werden, z.B. dass Jüdinnen und Juden erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts in das Mandatsgebiet Palästina eingewandert seien, als habe es nicht über die Jahrhunderte eine dauernde jüdische Präsenz in Palästina gegeben. Wird dieser Aspekt nicht objektiv und historisch korrekt vermittelt, kann bei Schülerinnen und Schülern der falsche Eindruck entstehen, Jüdinnen und Juden seien erst nach 1880 nach Palästina als Eroberer und „weiße Kolonisatoren“ eingewandert (vgl. Gilbert 2012, 1f.). So ist nur auf der Grundlage von Fakten der Informations- und Wahrheitsgehalt von Medienberichten zu beurteilen. Und nur auf dieser Grundlage ist es möglich, die israelische Demokratie, israelische Geschichte, den arabisch-israelischen Konflikt und das israelische Regierungshandeln beispielsweise zur Terrorprävention zu verstehen. Dabei gilt zugleich, „dass das Existenzrecht Israels nicht zur Diskussion gestellt wird. Ziel der Beschäftigung mit dem Staat Israel im Unterricht ist, diesen nicht nur im Kontext einer Konfliktgeschichte wahrzunehmen, sondern seine politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen als jüdischer Staat in aller Vielfalt herauszustellen. In diesem Rahmen gilt es, die Entstehungsgeschichte des Staates Israel zu thematisieren und seine besondere Lage und die Gefährdung seiner Existenz nachzuvollziehen.“ (Zentralrat der Juden und KMK 2016, 3f.)
Jüdische Schülerinnen und Schülern sollten nicht zu Expertinnen und Experten für den Nahost-Konflikt erklärt werden. Dies ist aus mehreren Gründen geboten: Einerseits, weil die Schülerinnen und Schülern oftmals gar nicht über die Expertise verfügen, die ihnen zugeschrieben wird. Andererseits werden dadurch Israel und „die Juden“ gleichgesetzt. Schlimmstenfalls werden die Jugendlichen zur Zielscheibe von israelbezogenem Antisemitismus, weil sie als Stellvertreter des Staates Israel identifiziert werden. Den Jugendlichen wird dann leicht auch als weiteres Problem mangelnde Zugehörigkeit zu ihrer deutschen Heimat auf Basis der behaupteten besonderen Nähe zu Israel attestiert (vgl. Chernivsky et. al. 2020, 49, Bernstein 2020, 96ff.). Wollen sich jüdische Schülerinnen und Schülern jedoch von sich aus als Expertinnen und Experten ihres Alltags aus jüdischer Perspektive einbringen, so sollte ihnen dies auch nicht verwehrt werden (vgl. Chernivsky et. al. 2020, 66).
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